Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
entsetzlich war, ein Verrat an all den Werten, von denen die meisten von uns glauben, dass wir dafür einstehen. Gerade in dieser Hinsicht betrachten wir uns als zivilisiert, ja als Christen. Doch anscheinend brauchen wir nur außerhalb der Sichtweite der Heimat zu sein, und schon werden zumindest ein paar von uns zu verdammten Wilden. Aber hätte jemand Lambourn umgebracht, weil er das wusste? Wir alle kennen doch zumindest einen Teil der Wahrheit.« Er seufzte. »Und wer immer diese arme Frau ermordete, ist für meine Begriffe ein Wilder.«
Monk waren ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen. Doch er sah nun auch jenes Element, das Hester erwähnt hatte – die verzweifelte Abhängigkeit von Opium bei denjenigen, die erst wegen Schmerzen und dann aufgrund ihrer Sucht in die Klauen dieses Gifts geraten waren. »Ich würde gern genauer über Lambourns Aktivitäten kurz vor seinem Tod Bescheid wissen.«
Runcorn verstand sofort. »Sie meinen: Was hat er erfahren, dass es jemanden dazu provozierte, ihn umzubringen? Mit wem hat er gesprochen? Woher wusste diese Person, dass er etwas Bestimmtes herausgefunden hatte?«
»Richtig. Was, zum Henker, war das nur? Was könnte irgendjemanden hier in London in Gefahr bringen? Was hatte Lambourn entdecken und dann auch beweisen können? Auf den Beweis kommt es an. Es muss etwas Persönliches sein. Etwas, das zu wertvoll ist, als dass man es verlieren darf, wenn ein Mensch deswegen bis zum Äußersten geht und zum Mörder wird.«
»Es hat zahllose barbarische Verbrechen gegeben«, stieß Runcorn bitter hervor. »Ich habe gehört, dass jetzt über zwölf Millionen Chinesen opiumsüchtig sind.« Er sah Monk fest in die Augen. »Haben Sie hier jemals so etwas gesehen? Ich meine, Opiumhöhlen? Schmutzige Häuser in Seitengassen, wo Menschen auf Pritschen aneinandergedrängt liegen wie die Waren im Laderaum eines Schiffs und das Zeug rauchen. In diesen Spelunken kann man kaum noch die Wände sehen, so dicht ist der Qualm! Und sie liegen einfach da! Wissen die meiste Zeit gar nicht mehr, wo sie sind. Wie lebende Tote.« Er erschauerte.
»Ich weiß«, bestätigte Monk leise. Auch er hatte diese Szenen gesehen, wenn auch nicht allzu oft. »Ich könnte das ja verstehen, wenn ein Chinese hierherkäme und Hunderte von uns tötete, vor allem die Familien, die ihr Vermögen damit verdient haben. Aber warum Lambourn? Der war doch auch gegen Opium – sogar in der Medizin, wenn die Informationen mangelhaft waren.«
Runcorn nickte. »Richtig, das kann es nicht gewesen sein. Er muss etwas anderes entdeckt haben. Aber was?« Er massierte sich nachdenklich das Gesicht. Dabei entstand ein Geräusch, als hätte er beim Rasieren im kalten Morgenlicht einige Stoppeln übersehen.
»Wir sollten seinen Weg zurückverfolgen, so weit das möglich ist. Das hätte ich schon damals tun sollen. Aber ich hatte den Leuten von der Regierung geglaubt, als sie mir sagten, das hätte an der Ablehnung seiner Studie gelegen.«
»Gladstone hat noch nicht mit Neuigkeiten über die Untersuchung von sich hören lassen«, brummte Monk. »Wem hat Lambourn sie eigentlich gegeben?«
»Seinem Schwager, Barclay Herne«, antwortete Runcorn. »Der hat mir gesagt, er hätte sie weitergereicht, später wieder zurückerhalten und zerstört.«
»Was zutreffen kann, aber nicht muss«, kommentierte Monk.
»Ohne Erlaubnis von höherer Stelle kann er sie aber nicht vernichtet haben«, gab Runcorn zu bedenken. »Ansonsten hätte er eigenmächtig gehandelt und sie schuldhaft unterdrückt.«
»Vielleicht hat er all die Stellen geschwärzt, die für ihn problematisch waren«, überlegte Monk laut, halb im Selbstgespräch. Doch schon während er das sagte, befielen ihn Zweifel.
Runcorn warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Wieso hätte Lambourn Dinge in seine Untersuchung aufnehmen sollen, die nichts mit der Etikettierung von Opium zu tun hatten? Das und die möglichen Gesundheitsschäden bei fehlerhaften Angaben waren doch das Thema. Selbst wenn Hester mit diesen Nadeln und der Sucht recht hat, wird das vom Arzneimittelgesetz überhaupt nicht berührt.«
Monk gab keine Antwort. Runcorn hatte recht, und das wussten sie beide.
Sie tranken ihren Tee aus und verfielen in Schweigen.
Doch plötzlich hatte Monk einen Gedankenblitz.
»Vielleicht haben sie die Untersuchung gerade deswegen vernichtet, weil nichts daran auszusetzen war!«
Runcorn blickte ihn verständnislos an.
Monk beugte sich aufgeregt vor. »Sie enthielt nichts,
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