Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
leid. Ich weiß, es handelt sich um eine Familienangelegenheit, aber er ist mein Vorgesetzter, und ich kann ihn nicht abweisen.«
Rathbone winkte mit einer kleinen, eleganten Geste ab. »Selbstverständlich. Und wir haben die eher persönliche Seite des Falles ohnehin schon ausreichend erörtert. Sollte sich noch Neues hinsichtlich der Studie oder Dr. Lambourns Reaktion auf ihre Ablehnung ergeben, wird Mr Bawtry mit den Einzelheiten ebenso vertraut sein wie Sie. Ich werde mich so kurz wie möglich fassen.« Er blickte Amity an, halb in der Erwartung, auf Eis in ihren Augen zu stoßen, doch stattdessen bemerkte er eine Lebhaftigkeit, die ihn vollkommen verblüffte. Dann blinzelte sie, stand auf und drehte sich zur Tür um, die in diesem Moment vom Pagen geöffnet wurde. Gleich darauf trat Sinden Bawtry ein. Er war eindeutig über Rathbones Anwesenheit in Kenntnis gesetzt worden. Lächelnd trat er auf Amity zu und streckte dann Rathbone die Hand entgegen.
»Guten Tag, Sir Oliver. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie hier sind, um in letzter Minute noch Informationen zu erhalten, mit deren Hilfe Sie diesen vermaledeiten Prozess, so respektabel es die Umstände zulassen, und – wenn möglich – vor Weihnachten über die Bühne bringen können.«
Rathbone schüttelte ihm die Hand. Sie fühlte sich kühl und fest an. Bawtry hatte einen kräftigen Händedruck, ohne dass er versuchte, die Hand seines Gegenübers zu zerquetschen. Das hatte er auch gar nicht nötig. Obwohl er hier nicht zu Hause war, beherrschte er den Raum mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre er der Gastgeber und die anderen seine Freunde.
»Es gibt nichts, was wir noch tun können!«, rief Herne mit steigender Verzweiflung in der Stimme. »Wir haben schon erklärt, dass der arme Joel sich mehr und mehr in Hirngespinste verrannte und sich von seinen Emotionen überwältigen ließ. Da konnten wir seine Untersuchung nicht akzeptieren. Zu unprofessionell.«
Amity warf ihm einen verärgerten Blick zu, konnte aber nichts sagen, weil Bawtry ihr zuvorkam.
»Je weniger über den armen Joel geredet wird, desto besser«, bemerkte er und lächelte dabei Rathbone an. »Es wäre für Ihre Verteidigung doch höchst ungünstig, wenn Sie versuchten, den Mord an dieser Frau mit einem Hinweis auf irgendeinen Grund zu erklären. Die einzige Hoffnung für Ihre Mandantin, die ich sehe, besteht wohl darin, glaubwürdig darzustellen, dass Mrs Gadney dringend auf Geld angewiesen war und ihr Glück trotz mangelnder Erfahrung in der Prostitution suchte.«
Sein Lächeln nahm einen düsteren, fast um Verzeihung werbenden Ausdruck an. »Das könnten Sie leicht bewerkstelligen, ohne dabei ihren Namen allzu sehr zu beschmutzen. Lassen Sie, um Himmels willen, nicht anklingen, dass sie ihr Schicksal verdient hätte, sondern nur, dass sie das Pech hatte, zum Zeitpunkt des Überfalls allein und wehrlos gewesen zu sein. Wenn sie schrie, dann hörte niemand sie. Eine Frau, die es gewohnt war, auf der Straße zu leben, wäre vielleicht so vorsichtig gewesen und hätte einen solchen Ort gemieden, es sei denn, sie wäre in Begleitung eines – wie nennt man das? – Zuhälters gewesen.«
Herne gab ein Bild des Jammers ab. »Sie war früher eine ehrbare Frau …«
»Das war Dinah auch!«, fuhr Amity ihm über den Mund. »Mein Gott, Barclay, lass uns das doch hinter uns bringen! Es gibt nur ein mögliches Ende. Wir machen uns bloß etwas vor, wenn wir so tun, als ob das Ganze nur Pech wäre und nichts mit Dinahs Eifersucht oder Verzweiflung zu tun hätte, weil es ihr nicht gelungen war, sich Joels Erbe zu sichern. Das Ammenmärchen von seiner Ermordung durch irgendwelche mysteriösen Verschwörer im Greenwich Park ist doch absurd! Das glaubt kein Mensch!« Sie wandte sich zu Rathbone um. »Wenn Sie noch …«
Sanft, fast liebkosend legte ihr Bawtry die Hand auf den Arm. »Mrs Herne, es ist nur natürlich und spricht für Ihre Ehrlichkeit und Ihre Menschlichkeit, dass Sie ein Ende dieser Seelenqualen herbeisehnen, die dieser Prozess uns auferlegt, aber wir müssen durchhalten – schweigend, falls nötig.« Und mit einem Seitenblick auf Rathbone fügte er, immer noch an Amity gewandt, hinzu: »Sir Oliver wird sein Bestes für Ihre Schwägerin tun, aber sein Bemühen ist zum Scheitern verurteilt. Dessen ist er sich ebenso bewusst wie wir. Es geht darum, dass dem Recht Genüge getan wird.« Er bedachte Rathbone mit einem flüchtigen Lächeln, das
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