Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
sog die Luft scharf ein. Er blickte Rathbone eindringlich an, dann wanderten seine Augen weiter zum Publikum auf der Galerie.
Rathbone begriff sofort. Er dankte Runcorn mit einem fast unsichtbaren Nicken, ehe er Pendocks Lächeln erwiderte.
»Wenn Dinah Lambourn die Einzige wäre, die die Wahrheit kennt, dann sei dem so, Mylord. Aber vielleicht haben Sie vergessen, dass sowohl Barcley Herne als auch seine Frau, Amity Herne, Joel Lambourns Schwester, sehr wohl über seine erste Ehe Bescheid wussten. Ich glaube, Sie werden das in den Protokollen ihrer Vernehmungen bestätigt finden, Mylord.«
Einmal mehr wich alle Farbe aus Pendocks Gesicht. Er richtete sich kerzengerade auf und ballte die auf dem handgeschnitzten Pult liegende Hand zur Faust. »Wollen Sie unterstellen, dass Barclay Herne diese bedauernswerte Frau ermordet hat, Sir Oliver?«, fragte er bedrohlich langsam. »Ich nehme an, dass Sie sich über seinen Aufenthalt in der fraglichen Zeit kundig gemacht haben. Sollten Sie das versäumt haben, kann ich Ihnen nachhelfen. Er nahm an einem Dinner im Athenäum teil. Ich war auch dort.«
Ein Faustschlag ins Gesicht hätte Rathbone nicht härter treffen können. Binnen Sekunden war aus Sieg Niederlage geworden. »Nein, Mylord«, antwortete er ruhig. »Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass Dinah Lambourn nicht die einzige Person war, der bekannt war, dass Joel Lambourn mit Zenia Gadney verheiratet war und sie, soweit wir wissen, einmal im Monat besuchte. Es ist nicht auszuschließen, dass er selbst oder seine Schwester, Mrs Herne, anderen davon erzählte – vielleicht Bekannten von früher, als Dr. Lambourn noch mit Zenia Gadney zusammen war. Oder soll ich Zenia Lambourn sagen?«
»Warum, zum Kuckuck, sollten Sie so etwas tun?«, fragte Pendock perplex. »So etwas möchte doch sicher niemand an die große Glocke hängen. Das wäre wirklich äußerst peinlich. Ihre Unterstellung ist exzentrisch, um es höflich auszudrücken.«
Rathbone unternahm einen letzten Versuch. »Mylord, wir wissen nicht, ob Dr. Lambourns Untersuchung Hinweise auf den Verkauf von Opium und die besagten Nadeln enthielt oder ob sie sich genauer über das Elend bei der Sucht äußerte, die solche Methoden verursachen können. Ebenso wenig wissen wir über den Wahrheitsgehalt dieser Geschichten. Aber es besteht weiter eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Personen namentlich benannt werden, entweder als Verkäufer dieses Gifts oder als Süchtige, mitsamt dem körperlichen wie geistigen Verfall, den es auslösen kann. Sämtliche Kopien dieses Dokuments aufzuspüren und sicherzustellen, dass sie nicht in die falschen Hände fallen, könnte darum als Dienst an den darin erwähnten Personen – und vielleicht auch an unserem Land – aufgefasst werden. Opium – wenn es richtig und unter ärztlicher Aufsicht eingenommen wird – ist immer noch das einzige Mittel, das wir haben, um qualvolle Schmerzen zu lindern.«
Daraufhin blieb Pendock lange stumm.
Die Zuschauer warteten. Die Augen aller – auf der Galerie, der Geschworenenbank, hinter den Pulten der beiden Anwälte – waren auf den Richter gerichtet.
Schließlich traf Pendock eine Entscheidung.
»Haben Sie Belege dafür, Mr Runcorn?«, fragte er leise. »Belege, nicht Annahmen und Skandalgeschichten?«
»Ja, Mylord. Aber das sind alles Fragmente, die immer wieder in den zahllosen Berichten über den tragischen Tod von Säuglingen auftauchten, mit dem sich Dr. Lambourn befasste. Er stieß auf die anderen Anhaltspunkte wohl eher zufällig, und wir nehmen an, dass er sich erst in den letzten Tagen seines Lebens zusammenreimte, wer dahintersteckte.«
Rathbone trat einen Schritt vor. »Mylord, wenn wir für den Rest des Tages Zeit hätten, die Beweise vernünftig zu ordnen und zu gewährleisten, dass keine Unschuldigen unbeabsichtigt verunglimpft werden, wären wir in der Lage, sie dem Gericht – oder Eurer Lordschaft in Ihrem Büro – vorzulegen, damit Sie sich Ihr eigenes Bild von ihrem Wert machen können.«
Pendock stieß einen schweren Seufzer aus. »Na gut. Der Prozess wird bis Freitagvormittag vertagt.«
»Danke, Mylord.« Rathbone neigte den Kopf. Plötzlich war ihm fast schlecht vor Erleichterung. Aber seine Freude war wirklich absurd! Er hatte eine Atempause gewonnen, nur über Weihnachten, sonst nichts.
Runcorn stieg vom Zeugenstand herunter und trat auf Rathbone zu. »Sir Oliver, Mr Monk möchte Sie so bald wie möglich sprechen«, raunte er ihm zu. »Wir haben
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