Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Scheins, auch wenn alle die Wahrheit kannten – alle, außer vielleicht Monk.
»Wenn sie also auf der Straße arbeitete, erledigte sie ihre Geschäfte dann woanders?«, fragte Monk abrupt.
»Ich weiß nich’, was sie gemacht hat!«, rief Clawson wütend. »Ich hab angenommen, dass sie eine Witwe is’. Wirkte immer … na ja … etwas traurig. Trug es mit Fassung, das arme Ding, aber ich glaube, dass sie es schwer hatte.«
»Kam sie je zu Ihnen ins Geschäft, Mr Clawson?« Monk ließ den Blick über die Regale schweifen. Sie waren beladen mit Nähutensilien, Küchengeschirr, Putzmitteln, Pulver für jeden erdenklichen Gebrauch und Schachteln voller Nägel, Schrauben oder Reißzwecken. Außerdem gab es hübsche Holzschubladen für Schnupftabak und alle möglichen mehr oder weniger wirksamen Heilmittel gegen dieses oder jenes Zipperlein. Er bemerkte eine Schachtel mit dem Etikett »Nelken gegen Zahnschmerzen« und eine mit »Pfefferminze gegen Verstopfung«. Eine Reihe von Schachteln war nicht beschriftet, sondern wies lediglich Buchstabenkombinationen auf, die komplizierte Begriffe ersetzen sollten: Tabletten für Leber oder Nieren, Salben gegen Juckreiz, Flechten oder Verbrennungen. Und natürlich gab es die üblichen Fläschchen mit Opiummischungen, das Heilmittel für so gut wie jedes Leiden von Krämpfen bis zu Schlaflosigkeit.
Clawson folgte seinem Blick. Jetzt wirkte er weniger selbstsicher. »Hin und wieder«, murmelte er. »Wegen Kopfschmerzen und dergleichen. Sie hielt sich nich’ immer so gut. Aber wer tut das schon?«
»Irgendetwas im Besonderen?«
»Nein.«
Monk wusste, dass der Mann log; die Frage war nur, warum. Es gab nichts gegen den Verkauf harmloser Heilmittel einzuwenden. Die meisten kleinen Läden im Viertel hatten einen Nebenerwerb.
»Mr Clawson, es wäre besser, wenn Sie mir verrieten, was Sie über sie wissen, statt mich zu zwingen, Ihnen die Fakten einen nach dem anderen aus der Nase zu ziehen.«
»Liegt denn eine Beschwerde gegen sie vor?«, fragte Clawson. Er war ein kleiner Mann, der durch eine schwarz gerahmte Brille zu Monk hinaufblinzelte, doch in diesem Moment schien er verärgert und bereit, eine Frau, die er kannte, gegen die aufdringlichen Fragen eines Fremden zu verteidigen.
»Nicht die geringste«, erwiderte Monk nüchtern. »Im Gegenteil! Wir befürchten, dass jemand ihr etwas angetan hat, und müssen wissen, wer das sein könnte.«
Clawsons Züge spannten sich an. »Ihr was angetan hat? Wie kann das sein? Sie hat nie was Schlimmes gemacht. Wieso schnüffeln Sie in ihrem Leben rum? Haben Sie keine wirklichen Verbrecher, die Sie suchen müssen? Sie war doch bloß eine arme Frau, die ihre besten Jahre hinter sich hatte und sich so gut durchschlug, wie sie eben konnte. Sie hat keinen Menschen belästigt. Sie ist nicht in billigen Kleidern auf den Straßen rumgelaufen, und sie hat keinen Mann behelligt, der sich um seinen eigenen Kram gekümmert hat. Lassen Sie sie in Ruhe.«
»Wissen Sie, wo sie jetzt ist, Mr Clawson?«, fragte Monk ernst.
»Nein. Aber selbst, wenn ich’s wüsste, würd ich’s Ihnen nich’ auf die Nase binden. Sie tut ja niemand was zuleide.«
Monk ließ nicht locker. »Verstehe ich Sie richtig: Sie hatte einen festen Freund, der sie bis vor etwa zwei Monaten regelmäßig besuchte. Danach begann für sie eine schwere Zeit, und sie musste Verdienstmöglichkeiten außer Haus finden, um sich über Wasser zu halten, tat das aber sehr diskret?«
»Ja, und?«, schnaubte Clawson. »Es gibt Hunderte von Frauen wie sie, die hin und wieder jemand gefällig sind, um über die Runden zu kommen. Und dann kommt einer wie Sie mit diesen schicken Kleidern und glänzenden Stiefeln daher und stellt Fragen. Ich weiß nich’, wo sie is’, und mehr sag ich nich’!«
»Haben Sie von der Leiche gehört, die gestern Morgen am Pier gefunden wurde?«
Wie aus der Pistole geschossen antwortete Clawson: »Sie würde Ihnen nix darüber sagen können, und ich weiß auch nix.«
Monk nickte. »Wahrscheinlich wissen Sie es wirklich nicht.« Plötzlich tat ihm dieser kleine Mann leid, der eine ihm fast unbekannte Frau so eifrig verteidigte und nun gleich eine traurige Nachricht erfahren würde. »Aber wenn Mrs Gadney nicht daheim ist und wir sie nicht lebendig und wohlbehalten irgendwo finden, müssen wir davon ausgehen, dass es sich bei der Leiche um die ihre handelt.«
Clawson wurde kreidebleich und musste sich an die Theke klammern, um das Gleichgewicht zu wahren.
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