Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
würde, musste sich aber eines Besseren belehren lassen.
Nailsworth nickte. »Ich sehe, dass Sie verstanden haben. Wahrscheinlich gibt es in der Kriminologie wie bei uns Wissenschaftlern ein bestimmtes logisches Muster, mit dem sich Verbrechen aufklären lassen.«
»Allerdings.« Monk reagierte unerwartet verärgert. »Vielleicht möchten Sie mich durch die logischen Schritte führen, denen Sie gefolgt sind, bis für Sie feststand, dass Dr. Lambourns Forschungen ein Irrtum waren und er es nur nicht vermochte, diesen Umstand zu akzeptieren.«
»Nun, es ist auf tragische Weise klar geworden, dass er nicht fähig war, sich sein eigenes Scheitern einzugestehen«, sagte Nailsworth mit spitzer Zunge. »Leider lässt sich dieser Schluss kaum vermeiden.«
Monk unterbrach ihn. »Er ist zweifellos tot. Aber bitte beginnen Sie mit dem Anfang, nicht mit dem Ende.« Sein Lächeln war eher ein Zähneblecken. »Verhalten Sie sich wie beim Aufstellen einer Theorie: zuerst die Fakten.«
Nailsworths Augen waren hart und hell. »Dr. Lambourn sammelte eine gewaltige Zahl von Fakten und Zahlen über den Verkauf von Opium in diversen Landesteilen und listete sie in einer Studie auf«, sagte er eisig. »Die Regierung verglich sie mit Informationen, die sie von anderen Quellen bezogen hatte, und fand heraus, dass Lambourn sich in zu vielen Aspekten geirrt hatte und seine Schlussfolgerungen darum fehlerhaft waren. Sie verwarf seinen Bericht, was ihm sehr zu schaffen machte. Und dann zog sie auch noch seinen Leumund als Wissenschaftler und Arzt in Zweifel. Aus irgendeinem Grund nahm er die Sache mit dem Opium viel zu persönlich. Er setzte seinen guten Ruf darauf und verlor. Und das führte zu dem einen Umstand, den keiner bestreiten kann: Jetzt ist er tot, weil er sich die Pulsadern aufgeschnitten hat.«
Seine Augen hatten sich in Monks Gesicht gebohrt. »Es tut mir leid. Er war ein sehr angenehmer Mensch, und ich glaube, er hatte den aufrichtigen Vorsatz, ehrlich zu sein, aber er ließ es zu, dass seine Gedanken von seinen Gefühlen gelenkt wurden.«
Nailsworths Worte klangen freilich alles andere als bedauernd. Sie mochten Herablassung ausdrücken, aber keine Trauer. Monk fragte sich, was Lambourn getan hatte, dass er den jungen Mann derart tief in seiner Eitelkeit getroffen hatte.
»Seine Empfehlungen waren nicht nur restriktiv, sondern auch völlig überflüssig«, ereiferte sich Nailsworth. »›Übertrieben‹, so wurde sein Befund bezeichnet. Es war eine Demütigung für ihn, und damit kam er nicht zurecht. Wenn Sie überhaupt so etwas wie Mitgefühl für seine Familie haben, dann lassen Sie die Sache auf sich beruhen.«
Monk beschränkte sich darauf, zu beobachten und zuzuhören. Nailsworth wirkte zutiefst verärgert, aber seine Stimme gab noch etwas anderes preis. Etwas, das er nicht zu zeigen wagte? Den Ehrgeiz, Lambourns Stellung einzunehmen? Eigene Interessen in der Opiumfrage? Eine gewisse Sorge, seine zukünftige Karriere zu gefährden, falls er zu viel verriet?
Monk bedankte sich und ging. Beim Verlassen des Hauses sagte er sich, dass die letzte dieser Möglichkeiten wohl am wahrscheinlichsten war. Wäre Nailsworth womöglich in Gefahr geraten, falls man ihn des Mitgefühls für Lambourn verdächtigt hätte?
Oder war es er, Monk, der sich hier die Fakten zurechtbog, bis sie zu einer bereits vorgefassten Theorie passten? War sie am Ende aus Zorn entstanden und dem Wunsch, dass es für Dinah Lambourn wenigstens einen Fetzen Trost geben würde? War vielleicht auch er schuldig, die Fakten im Sinne eines gewünschten Ergebnisses ausgewählt und interpretiert zu haben?
7
Hester stand am Küchentisch und hackte Zwiebeln, um sie mit den gestern übrig gebliebenen Kartoffeln und einer ziemlich großen Portion Kohl zu braten. Daraus würde sie »Brutzel und Zisch« machen, eine von Scuffs Lieblingsspeisen, derer – gab es Würstchen dazu – auch Monk nie überdrüssig wurde.
Da sie heute früh heimgekommen war, reichte die Zeit auch noch für Pudding, den ersten seit Tagen. Sie führte in der Portpool Lane eine Klinik für Straßenmädchen, wo in letzter Zeit extrem viel los gewesen war, sodass sie kaum noch zu etwas anderem kam.
Die Klinik wurde über Wohltätigkeitsveranstaltungen finanziert, und die beste Spendensammlerin war Margaret Rathbone gewesen. Seit dem Prozess gegen ihren Vater und dessen Tod hatte sie sich allerdings nicht mehr in der Klinik blicken lassen. Ihrer Meinung nach hatte Hester sie ebenso
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