Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
oder nur dem Umstand, dass er mehr über das Privatleben eines Mannes erfahren hatte, als ihm lieb war.
»Wie haben Sie das herausgefunden, Mr Herne?«, fragte Monk.
Hernes Miene nahm einen bedauernden Ausdruck an. »Es hatte mit einer Bemerkung von Dinah zu tun, deren wahre Bedeutung mir erst im Nachhinein aufging. Im Grunde war es sehr peinlich.« Er verlagerte unbehaglich das Gewicht. »Joel wirkte immer so … fantasielos, so trocken. Ich hatte größte Mühe, ihn mir zusammen mit einer verblühten Hure in den Seitengassen einer Gegend wie der West India Dock Road vorzustellen.« Er runzelte die Stirn. »Aber da der arme Mann gestorben ist, bevor diese bedauernswerte Kreatur umgebracht wurde, kann ihm diese entsetzliche Tat ja wohl kaum zur Last gelegt werden. Ich kann mir nur vorstellen, dass ihre finanzielle Lage immer verzweifelter wurde, ihre Instinkte sie verließen und sie unachtsam wurde, nachdem er sie so lange ausgehalten hatte.«
Monk neigte zu der gleichen Auffassung, wartete aber darauf, dass Herne seine begonnene Erklärung zu Ende führte.
»Meine Familie …« Herne stockte, als bereitete es ihm Schwierigkeiten weiterzusprechen. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich nicht öffentlich zu der Verbindung zwischen Joel und dieser Frau äußern würden. Es ist auch so schon schwer genug für Dinah, dass sie von seiner … Schwäche Kenntnis nehmen muss, als würden sein berufliches Scheitern und dann auch noch sein Selbstmord nicht genügen – Gott stehe uns allen bei. Und natürlich geht es mir dabei auch um meine Frau. Sie und Joel standen sich nicht nahe, aber er war dennoch ihr Bruder. Bitte … machen Sie die Verbindung zwischen ihm und dieser Frau nicht öffentlich. Schließlich ist ein Zusammenhang mit ihrer Ermordung völlig ausgeschlossen.«
Monk musste nicht lange überlegen. »Wenn es nichts mit der Überführung des Mörders zu tun hat, dann haben wir auch nicht den geringsten Anlass, Dr. Lambourn zu erwähnen«, erklärte er.
Endlich schien alle Anspannung von Herne abzufallen. »Danke.« Er lächelte. »Ich … wir sind Ihnen sehr verbunden. Wir alle hatten es in letzter Zeit sehr schwer, insbesondere Dinah. Sie ist eine … extrem emotionale Frau.« Er erhob sich und streckte Monk die Hand entgegen. »Danke«, wiederholte er.
Erst nachdem Monk das Büro in der Northumberland Avenue verlassen hatte und auf dem Rückweg zur Wache der Wasserpolizei in Wapping einen Hansom bestiegen hatte, dämmerte ihm, was genau Barclay Herne ihm offenbart hatte. Als er dort, wo The Strand in die Fleet Street überging, in dichtem Verkehr stecken blieb, ging ihm die volle Bedeutung seiner Worte auf. Dinah Lambourn hatte ihm gegenüber zugegeben, dass sie über das Interesse ihres Mannes an einer anderen Frau im Bilde gewesen war, sich aber bewusst entschieden hatte, nicht mehr als lediglich diesen Umstand in Erfahrung zu bringen. Sie hatte ihm gesagt, sie wisse weder, wohin ihr Mann gegangen war, noch den Namen der Frau.
Herne wiederum hatte behauptet, er habe über Dinah von dieser Affäre erfahren, und hatte sich dann über Limehouse im Allgemeinen und über die West India Dock Road im Besonderen geäußert. Die war aber nur einen Katzensprung von der Copenhagen Place entfernt, wo Zenia Gadney gelebt hatte. Ohne ihre genaue Adresse zu kennen, hätte er es kaum besser treffen können. Es war die nächste Straße. Unbeabsichtigt hatte er Monk so verraten, dass Dinah Zenia Gadneys Adresse sehr wohl gekannt und folglich gelogen hatte.
Die bloße Vorstellung war ihm zuwider. Er versuchte, sie aus seinem Bewusstsein auszusperren, doch seine Fantasie lieferte ihm fieberhaft ein Bild nach dem anderen. Dinah hatte Lambourn fast obsessiv geliebt. Sie hatte zu viel Gutes in ihm gesehen und ihn auf einen Sockel gestellt, auf dem sich wohl kein Mann halten konnte. Jeder hatte Schwächen, über die er irgendwann stolpern musste. Das zu ignorieren oder zu leugnen bedeutete, ihm eine Bürde aufzuladen, die zu schwer war, als dass er sie im Alltagsleben tragen konnte.
Die Liebe sah nicht nur das Schöne, sondern akzeptierte auch die Narben und den Makel. Früher oder später provozierte das Gewicht unmöglicher Erwartungen Ausweichversuche: am Anfang vielleicht nur kleinere, mit der Zeit immer größere, wenn der Schmerz zunahm.
War das mit Joel Lambourn geschehen? War der Sockel zu hoch und es dort oben unerträglich einsam gewesen?
Der Hansom kam in dem dichten Verkehr kaum voran. Es regnete jetzt
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