Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
zwar sagen, dass es die richtige Person sein soll, aber in diesem Fall glauben sie, sie bereits zu haben. Das noch einmal infrage zu stellen hieße, sie gegen sich aufzubringen. Dann hätten sie sich ja auf die Falsche gestürzt, auf ein unschuldiges Opfer; die Polizei wäre unfähig; und das Schlimmste an alldem wäre: Der wahre Schuldige würde immer noch sein Unwesen treiben, und alle wären in großer Gefahr. So etwas will niemand hören.«
Dem konnte Rathbone nicht widersprechen. Er wechselte das Thema. »Weiter muss ich so viel wie nur möglich über Dinah Lambourn in Erfahrung bringen. Nur so kann ich verhindern, dass der Staatsanwalt mir mitten im Prozess hässliche Überraschungen bereitet. Überlegen Sie nur: Wenn sie tatsächlich schuldig ist, dann ist sie von einer Gemütsart, die in Wahnsinn umschlagen kann. Der Mord an Zenia Gadney kann in diesem Fall allerdings nicht der erste Anlass gewesen sein, bei dem sie das zumindest ansatzweise gezeigt hat. Ich werde in Erfahrung bringen, so viel ich kann, aber ich brauche Hilfe dabei.«
Hester blickte ihn verwirrt und besorgt an. »Und wenn sie doch schuldig ist, Oliver, wollen Sie sie dann retten? In diesem Fall hat sie Zenia Gadney nicht nur ermordet, sondern auf grässliche Weise verstümmelt. Das ist unentschuldbar. Eine Provokation, die so etwas rechtfertigen könnte, ist gar nicht denkbar.«
»Hester …«, begann Rathbone.
Sie schnitt ihm das Wort ab. »Und wenn sie damit davonkommt, was wird aus dem nächsten Opfer, das ihr über den Weg läuft? Und das ist noch nicht alles: Wenn sie entlastet wird, wird die Polizei nach jemand anders fahnden, jemandem, den es gar nicht gibt. Die Bewohner von Limehouse werden ihre Häuser voller Angst verlassen, und jeder wird jeden verdächtigen.«
»Glauben Sie, dass sie es war?«, fragte Rathbone erneut.
»Ich weiß es nicht.« Hester seufzte. »Aber wenn Sie erkennen, dass es tatsächlich so ist, müssen Sie entscheiden, wie Sie weitermachen wollen.«
Darüber hatte Rathbone noch gar nicht nachgedacht. Er war aufgewühlt von seinen Emotionen in die Paradise Place gekommen, bereit zu einem so gut wie unmöglichen Kreuzzug. Teilweise lag das auch daran, dass dieser Fall seinen Verstand und seine Energie beanspruchen und von seinem eigenen Schmerz ablenken würde.
Er wandte sich an Monk. »Hester hat recht. Ich brauche vollkommene Gewissheit. Werden Sie helfen?«
»Ich soll Ihnen dabei helfen, die Unschuld derjenigen Frau zu beweisen, die ich gerade wegen eines der bestialischsten Morde in meiner ganzen Laufbahn verhaftet habe?«, fragte Monk leise.
»Sind Sie denn sicher, dass sie schuldig ist?«, fragte Rathbone zurück.
»Nein. Nein, ich bin mir nicht sicher. Aber es gibt außer ihr keine plausiblen Verdächtigen.«
»Dann lassen Sie uns gemeinsam die Wahrheit herausfinden, weil wir nur so Gewissheit erlangen«, drängte Rathbone. Er blickte Hester eindringlich an.
Diese wiederum richtete die Augen auf Monk. »William?«
Mit einem Schulterzucken murmelte Monk: »Natürlich werde ich weiterermitteln. Ich muss ja.«
11
Als Rathbone gegangen war, blieben Hester und Monk einander gegenüber in ihrer wohlvertrauten, gemütlichen Küche sitzen.
»Was willst du für ihn tun? Was lässt sich überhaupt noch herausfinden?« Hesters Worte drückten eher eine Feststellung als eine Frage aus.
»Ich weiß es nicht.« Monk seufzte. »Ich habe so gut wie jede Untersuchungsmöglichkeit ausgeschöpft. Im Viertel gibt es nichts mehr, was sich noch ermitteln ließe. Keine vergleichbaren Verbrechen, keine Feindschaften, bei denen es um mehr ging als um einen Zank beim Krämer oder verschiedene Ansichten über das Wetter. Die arme Frau hatte anscheinend keine Beziehungen bis auf die mit Lambourn. Ich konnte nicht einmal herausfinden, was sie mit ihrer Zeit anstellte, außer vielleicht in der Nachbarschaft gelegentlich mit kleineren Näharbeiten auszuhelfen. Sie las Bücher, Zeitungen …«
»Könnte sie zufällig ein Gespräch aufgeschnappt und etwas über jemanden erfahren haben?«
»Möglicherweise.« Monk wollte etwas Positives sagen, das Hoffnung bot und zugleich aufrichtig war. »Aber wir sind auf nichts gestoßen, was so etwas nahelegt. Sie war eine beinahe unsichtbare Frau. Aber selbst wenn sie etwas wusste, lässt sich die Verstümmelung damit nicht logisch begründen.«
»Keine Angehörigen?« Ein verzweifelter Ton schlich sich in Hesters Stimme. Unbemerkt fiel ihr eine Haarsträhne in die
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