Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
seinem Dienstraum im Old Bailey und versuchte, sich noch einmal zu sammeln, ehe er vor Gericht die Verteidigung der wegen des Mordes an Zenia Gadney angeklagten Dinah Lambourn begann. Seit Langem war er nicht mehr in einem derart aufsehenerregenden Fall aufgetreten, und schon hatte es heftige Kritik an ihm gehagelt, weil er ihn überhaupt angenommen hatte. Natürlich hatte diesen Kommentaren jede Grundlage gefehlt. Schließlich war allgemein bekannt, dass jeder Angeklagte das Recht hatte, sich vor Gericht vertreten zu lassen, und zwar unabhängig von der Person, der Tat, die ihm zur Last gelegt wurde, und der Gewissheit seiner Schuld. So verlangte es das Gesetz.
Persönlicher Abscheu stand allerdings auf einem anderen Blatt. Mit dem Verstand nachzuvollziehen, dass irgendjemand Dinah Lambourn verteidigen sollte, war eben etwas ganz anderes, als sich persönlich für sie einzusetzen.
»Keine kluge Entscheidung, Rathbone«, hatte einer seiner Freunde mit geschürzten Lippen und einem bedächtigen Kopfschütteln gemeint. »Das hätten Sie irgendeinem hungrigen Bettler überlassen sollen, der nichts zu verlieren hat.«
»Würden Sie so einem auch die Verteidigung Ihrer Frau anvertrauen?«, hatte Rathbone schockiert gefragt.
»Meine Frau würde keine Hure aufschlitzen und ihre Leiche am Fluss abladen!«, hatte der Mann hitzig gekontert. »Hätte dazu auch in Gottes Namen keinen Anlass! Nicht, dass sie überhaupt auf eine solche Idee käme.«
»Dinah Lambourn vielleicht auch nicht«, hatte Rathbone erwidert und sich über sich selbst geärgert, weil er so dumm gewesen war, sich überhaupt auf eine solche Diskussion einzulassen.
Aber vielleicht hatte der Mann ja recht. Als Rathbone in seinem großen, bequemen Stuhl saß und die vor ihm auf dem Schreibtisch ausgebreiteten Dokumente studierte, fragte er sich, ob er nicht doch voreilig gewesen war. Hatte er diesen Fall angenommen, um sich selbst dafür zu bestrafen, dass er Margaret enttäuscht hatte? Um beruflichen Selbstmord zu begehen?
Die Zeitungen begleiteten den Prozess mit balkendicken Schlagzeilen und würzten ihn mit Spekulationen über alle möglichen anderen Verbrechen, hinter denen Eifersucht und Wahnsinn stecken mochten. Einige Journalisten hatten Dinah als eine von Hass zerfressene Furie dargestellt, die sich auf jede Frau stürzte, sobald diese es wagte, ihren Mann auch nur anzuschauen. Einhellig wurde ihr unterstellt, sie sei verrückt vor Eifersucht, neige zu Wahnvorstellungen und hätte Lambourn mit ihrem vereinnahmenden Wesen in den Selbstmord getrieben.
Ein Blatt wies im Leitartikel darauf hin, dass die Metzeleien überhaupt kein Ende mehr nehmen würden, wenn die Geschworenen einen derart abscheulichen Mord billigten, nur weil der Mann der Täterin mit einer Prostituierten verkehrt hatte. Was, wenn eine Ehefrau solche Gerüchte einfach für wahr hielt? War ihr Mann dann nicht in Lebensgefahr, sobald er mit einer anderen Frau sprach?
Natürlich hatte Rathbone auch gehört, wie andere Frauen für Dinah Partei ergriffen. Das Ehebett, hieß es, würde besudelt, wenn Männer Huren aufsuchten, und das nicht nur unmittelbar durch den Bruch des Treuegelübdes, sondern auch mittelbar, weil sie später ihre treue Gemahlin mit den Krankheiten des Bordells und über sie auch ihre Kinder anstecken konnten. Und dann auch noch das Geld, das solche Männer für ihre Gelüste zum Fenster hinauswarfen, während es ihren Frauen am Nötigsten fehlte!
Wie Rathbone in seinem Club gehört hatte, war Dinah für manche Männer die Verkörperung des Opfers schlechthin. Andere sahen in ihr das Symbol für alle hysterischen Frauen, die danach strebten, sämtliche Männer in ihrer Freiheit einzuschränken und sie auf Schritt und Tritt zu verfolgen.
Ein Reporter wiederum verstieg sich zu der Darstellung Dinahs als Heldin aller betrogenen Ehefrauen, die benutzt, verhöhnt und weggeworfen wurden. Hier wie überall riss die Hitze der Emotionen jede Vernunft mit sich fort wie eine Sturmflut Strandgut.
Rathbone hatte sich auf jede Eventualität vorbereitet und wusste gleichwohl, dass das viel zu wenig war. Weder Monk noch Orme hatten einen Zeugen auftreiben können, der Zenia kurz vor ihrem Tod mit einem Mann gesehen hatte. Die einzige Person, mit der sie gesehen worden war, wenn auch nur kurz auf der Uferstraße, war unbestreitbar eine Frau. Er hatte kein Interesse, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken.
So konnte er nichts zu Dinahs Verteidigung vorbringen, außer ihrer
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