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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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Aufstiegs in Angriff.
    Sie gingen den schummrigen Flur entlang und fanden ganz am Ende die Wohnungstür 6D. Bevor der Teniente läutete, zündete er sich die Zigarette an.
    »Wie packen wirs an?«, wollte Manolo wissen, bevor es losging.
    »Ich finde es interessant, den Leuten bei der Arbeit zuzusehen … Ganz vorsichtig, wie einer, der nichts Bestimmtes will, ja? Aber falls nötig, hakst du nach und gibst dich argwöhnisch.«
    »Zeichnen wir das Gespräch auf?«
    Er überlegte einen Moment, drückte dann auf den Klingelknopf und sagte: »Erst mal nicht.«
    Die Frau war überrascht, als sie die beiden Männer sah. Bestimmt erwartete sie jemand anderen. Diese Unbekannten, die an einem Samstagabend vor ihrer Tür standen, hatte sie jedenfalls nicht auf der Rechnung. Guten Abend, sagten die beiden und gaben sich als Polizisten zu erkennen. Ja, sagte die Frau mit etwas zittriger Stimme, sie sei Zaida Lima Ramos. Noch verwirrter als vorher ließ sie sie eintreten und bemühte sich, ihr verstrubbeltes Haar in Ordnung zu bringen. Vielleicht hatte sie geschlafen, ihr Gesicht sah ganz danach aus. Die Polizisten erklärten ihr den Grund des Besuchs: Ihr Chef, der Genosse Rafael Morín Rodríguez, sei verschwunden.
    »Ich habe davon gehört«, sagte sie und setzte sich in einen Sessel. Sie hielt die Beine dicht geschlossen und zupfte angestrengt am Saum ihres Rocks, der ihr kaum bis zu den Knien reichte.
    El Conde registrierte die starke, sich kräuselnde Behaarung ihrer Schenkel und bemühte sich, die aufkommenden krausen Gedanken in seinem Kopf zu unterdrücken. Die Frau war zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt, hatte große schwarze Augen und einen sinnlichen, breiten Mund wie alle hübschen Mulattinnen. Sogar ungekämmt und ungeschminkt sah sie wunderbar aus, fand der Teniente. Das kleine Wohnzimmer war geschmackvoll eingerichtet und sauber. Auf dem Möbel, das die gesamte Wand gegenüber dem Balkon einnahm, standen ein Sony-Farbfernseher, eine Beta-Stereoanlage und die üblichen Souvenirs aus der großen weiten Welt: ein Mosaikbild von Toledo, eine mexikanische Figur, eine Miniaturausgabe von Big Ben und eine weitere vom schiefen Turm von Pisa. Während der Teniente sich umsah, erzählte Zaida, dass Maciques sie am Nachmittag des Ersten angerufen habe, Rafael sei verschwunden, sie habe keine Ahnung gehabt, wo er sich aufhielt, und später habe sie den Büroleiter dann mehrmals angerufen, zum letzten Mal heute Morgen, sie mache sich Sorgen, ob es denn inzwischen etwas Neues von Rafael gebe?
    »Hübsche Wohnung«, bemerkte der Teniente, und unter dem Vorwand, einen Aschenbecher zu suchen, nahm er die Einrichtung noch ungezwungener in Augenschein.
    »Nach und nach schafft man sich das eine oder andere an«, sagte sie lächelnd. Sie wirkte nervös. »Man möchte es ja nett haben, nicht wahr? Das Problem ist mein Sohn mit seinen Freunden, die bringen immer alles durcheinander.«
    »Du hast einen Sohn?«
    »Ja, er ist zwölf.«
    »Monate?«, erkundigte sich El Conde. Er war völlig verwirrt.
    »Jahre«, stellte sie klar, »zwölf Jahre. Er ist gerade mit ein paar Freunden aus dem Haus unterwegs. Stellen Sie sich vor, bei diesem Wetter wollten sie unbedingt Eis essen gehen, in der ›Coppelia‹.«
    »Die Chinesen sagen … naja, ob alle, weiß ich nicht, aber jedenfalls einer, den ich kenne, der Vater einer Arbeitskollegin, also der sagt, bei kaltem Wetter soll man Eis essen.« Er lächelte, und Manolo spielte weiterhin die Rolle des Stummen. Wenn er das doch immer tun würde!
    »Möchten Sie Kaffee?«, fragte Zaida. Ihr war kalt, oder sie hatte Angst, vielleicht auch beides, und wusste nicht, ob sie die Arme verschränken oder weiter an ihrem zu kurzen Rock herumzupfen sollte.
    »Nein, danke, Zaida. Wir wollen dir nicht unnötig die Zeit stehlen. Du erwartest Besuch, stimmts? Du sollst uns nur kurz erzählen, was du über deinen Chef weißt. Alles, jede Kleinigkeit kann uns helfen, ihn zu finden.«
     
    Ich weiß nicht, es erscheint mir so unglaublich, dass Rafael verschwunden sein soll, ganz unmöglich, hoffentlich nicht, aber ich hab so eine Angst … Ich möchte es mir gar nicht vorstellen. Denn verstecken tut er sich doch nicht, oder? Ich weiß nicht, weil … warum sollte er sich verstecken? Nicht wahr? Es ergibt doch keinen Sinn, das ist alles sehr seltsam. Drei Tage lang denke ich jetzt schon darüber nach, aber ich verstehe das nicht. Ich will mal rasch die Balkontür zumachen, es ist plötzlich so kalt

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