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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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er ist mehr als ein Chef für mich, Nähe schafft Zuneigung, sagt man, nicht wahr? Und er sah so müde aus … Und was denken Sie über das Ganze?
     
    »Nein, sag mir nicht, was du darüber denkst, jedenfalls jetzt noch nicht«, bat er Manolo, als sie auf die Straße traten. Immer noch fiel ein feiner, monotoner Nieselregen, und die Nacht war über die Stadt hereingebrochen. »Gehen wir zur 17., mal sehen, welche Überraschung Zoila für uns bereithält.«
    »Wolltest du dich nicht vor vorschnellen Urteilen hüten?«, fragte Manolo, während er die Antenne wieder montierte.
    »Hör endlich auf, darauf herumzureiten, Mann. Und lass die Antenne da, wo sie ist, wir steigen sowieso gleich wieder aus.«
    Manolo tat so, als hätte er nichts gehört. El Conde setzte sich in den Wagen, und der Sargento fuhr fort, die Antenne anzubringen. Er wusste, dass der Teniente langsam nervös wurde und es besser war, ihn zu ignorieren. Du willst nicht wissen, was ich darüber denke? Gut, dann sag ichs dir eben nicht. Aber ich denk ’ne ganze Menge, sagte er laut und startete den Motor. Sie fuhren die Linea hinauf in Richtung Tunnel. Mario Conde kritzelte etwas in sein zerfleddertes Notizbuch und ließ dann wieder den Kugelschreiber klicken. Ohne um Erlaubnis zu fragen, schaltete er das Autoradio ab, das Manolo eben erst angestellt hatte. Doch trotz allem musste Sargento Palacios zugeben, dass er gerne mit diesem leicht neurotischen Teniente arbeitete. Das hatte er gleich gewusst, als er noch neu bei der Kripo war und man ihn dem Team zuteilte, das den Diebstahl einiger Bilder aus dem Nationalmuseum untersuchte. Der Kunstsachverständige des Teams hatte ihn gewarnt: »Guck mal, der da, der gerade gekommen ist, das ist El Conde. Er ist der Chef unserer Einsatztruppe. Wundere dich über nichts, was er sagt, der ist nämlich nicht ganz dicht. Ansonsten aber in Ordnung. Außerdem glaub ich, dass er der Beste ist.« Wovon sich Manolo später bei verschiedenen Gelegenheiten überzeugen konnte.
    »Und, darf man erfahren, was du darüber denkst?«, fragte er ihn, den Blick starr auf den Asphalt gerichtet.
    »Nein.«
    »Hast du ’ne Krise, Kollege?«
    »Ich bin am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Sieh mal, ich kenne Rafael Morín, und so langsam ahne ich, woher der Wind weht. Aber im Moment läuft noch so einiges durcheinander, und ich will mich vor vorschnellen Urteilen hüten, wie du weißt.«
    Der Wagen fuhr die 19. entlang. Manolo hatte beschlossen, sich die erste Zigarette des Tages anzuzünden. Da kann man ja neidisch werden, dachte El Conde, der raucht nur, wenn er Lust dazu hat.
    »Wenn du wieder mit deinen vorschnellen Urteilen anfängst, musst du wirklich ’ne Krise haben«, stellte Manolo fest. Er bog in die 70. ein, um zur 17. zu gelangen.
    »Da, da!«, rief Mario Conde, als er das Haus mit der Nr. 568 erblickte. »Halt an, und wenn du wieder die Antenne abmontierst, schreib ich ’n Bericht darüber, kapiert?«
    »Kapiert. Aber mach wenigstens dein Fenster richtig zu, ja?«, schrie Manolo zurück und kurbelte seins ganz nach oben.
    Der Hauseingang war beleuchtet, doch Tür und Fenster waren fest verschlossen. El Conde klopfte zwei-, dreimal und wartete. Manolo neben ihm zog sich seine Regenjacke über und versuchte den Reißverschluss einzuhaken. Der Teniente klopfte noch einmal und beobachtete die vergeblichen Versuche seines Kollegen.
    »Diese Reißverschlüsse taugen nichts, Kleiner. Aber lass sein, hier ist sowieso keiner zu Hause«, fügte er hinzu, hämmerte jedoch erneut gegen die Holztür.
    Die Schläge klangen hohl. Hörte sich an, als wäre das Haus leer.
    »Gehen wir zum Comité«, sagte der Teniente.
    Sie gingen den Bürgersteig entlang und hielten nach dem Schild des »Comité zur Verteidigung der Revolution« Ausschau. Schließlich entdeckten sie es gleich an der Straßenecke, halb verdeckt in dem Vorgartendschungel aus Hecken und Arekapalmen.
    »Das Schlimme an der Kälte ist, dass ich immer so einen Hunger kriege, Conde«, jammerte Manolo. Damit gab er seinem Vorgesetzten zu verstehen, er solle sich kurz fassen.
    »Und was meinst du, wovon ich meinen Bauch habe? Die Trinkerei gestern Abend, der Fastentag heute und dazu die Zigarre, die mir der Alte geschenkt hat … Hab das Gefühl, ich hätte ’ne tote Kröte im Magen. Mir ist schon ganz schwindlig.«
    Er klopfte an die Scheibe der Eingangstür. Das prompte Hundegebell ließ Manolo die Haare zu Berge stehen. Er erinnerte sich an seinen unschlagbaren Rekord in

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