Ein Pirat zum Verlieben
gestürzt. »Meine Erinnerungen an diese Nacht, Liebste, haben nicht viel mit Schlafen zu tun.«
»Meine auch nicht«, murmelte sie mit belegter Stimme und ließ sich vom Schreibtisch rutschen. Er starrte sie an, ohne ein Wort zu sagen, als sie auf seinen Schoß kletterte. Der Ausdruck auf seinem sonnengebräunten Gesicht war plötzlich so intensiv, so qualvoll und doch so besitzergreifend, dass sie unwillkürlich die Stirn runzelte und eine Hand an seine Wange legte. »Dane?«
Seine Hand vergrub sich abrupt in ihrem Haar, während er die andere fest um sie schlang und ihren Mund eroberte, ihn so hungrig in Besitz nahm, als wollte er sie in sich hineinziehen und für immer dort behalten. In den letzten Stunden hatte sich eine absurde Angst des Kapitäns bemächtigt. Ja, gab er im Stillen zu, während sein Kuss noch fordernder wurde. Er hatte eine Todesangst, Tess zu verlieren – an ihre eigene Zeit.
22
Wie ein schwarzer Säbel durch azurblaue Seide durchschnitt die Sea Witch das glitzernde Wasser. Die Segel blähten sich im Wind und trugen die Fregatte näher an ihr Ziel. Auf dem Achterdeck suchte Dane durch das Fernglas die See ab, bevor er seine Kommandos gab. Das schrille Pfeifen des Bootsführers übertönte den Wind. Barbrüstige Männer in geflickten Kniehosen kletterten behände in die Wanten, um ihre Befehle auszuführen.
»Habt ihr Melasse in den Adern?«, feuerte Gaelan die Mannschaft munter an. »Schneller, Leute, es gilt neue Länder zu entdecken!«
Dane ließ das Fernglas sinken und musterte seinen Ersten Offizier. »Sie scheinen heute Morgen recht guter Dinge, Gaelan.«
Gaelan wandte leicht verschämt den Blick ab. »Ich gestehe, dass ich auf dieser Fahrt danach lechze, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.«
Ein leises Lächeln spielte um Danes Lippen, als er das Glas wieder vor sein Auge hielt. »Ich glaube, Sie lechzen nach mehr als festem Boden, Mann.«
»Aye, Sir. Ein anschmiegsames, gut duftendes Mädchen wäre ganz nach meinem Geschmack«, sagte er träumerisch. »Eins, das diese Dinger, wie auch immer sie heißen, trägt, die leise rascheln und einen Mann dazu bringen, sich die Schätze vorzustellen, die darunter liegen …« Er räusperte sich und richtete sich auf, als der Kapitän das Fernrohr senkte und ihn mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. »Es ist schwer, an etwas anderes zu denken, Käpt’n«, sagte er errötend, »wenn Lady Renfrew so nahe ist, Sir.«
Dane sagte nichts, sondern richtete den Blick wieder auf das Meer. Ja, dachte er bei sich, es hatte auch seine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe gestellt, die Dame nicht die ganze Zeit, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, in seinem Bett zu behalten.
Gaelan gab einen gequälten Laut von sich und sagte leise: »O Gott. Es kann gar nicht früh genug sein, Sir.«
Tess stand in einer weichen Wolke aus königsblauer Seide auf dem Unterdeck und hielt Ausschau nach Dane. Als sie ihn auf dem Achterdeck entdeckte, drehte sie sich gemessen um und machte einen wohlerzogenen Knicks. Sie fühlte sich herrlich verwöhnt. Als sie an diesem Morgen aufgewacht war, hatte sie das Gefühl gehabt, den Wunschtraum aller Frauen zu erleben: ein Zimmer voller neuer, kostspieliger Sachen. Rund um das Bett standen drei Seekisten mit Kleidern aus Seide, Spitzen, Brokat und schwerem Samt in Moosgrün, Schwarz und Weinrot, reich verziert und sehr elegant. Der Gipfel an Mode im achtzehnten Jahrhundert, wie sie wusste. Sie war immer noch beeindruckt von der extravaganten Kollektion. Zu jedem Kleid gab es passende Mieder, Unterröcke, Strümpfe und zierliche Satinschühchen, die mit kleinen Schleifen oder Perlen besetzt waren. Aber es war der Streifen Pergament mit der dunklen, männlichen Handschrift, der sie am meisten rührte: Willkommen in meinem Jahrhundert, Liebste. Oh, Blackwell, was mache ich nur mit dir?, dachte sie glücklich und ging darin nach achtern.
Ein scharfes Uff kamüber Gaelans Lippen, als ihm der Kapitän unabsichtlich das Fernrohr in den Magen rammte und auf sie zuging.
»Nein, komm nicht runter. Ich schaffe es schon«, sagte sie, während sie ihre Röcke mit einer Hand raffte und die beinahe senkrechten Stufen zum Achterdeck erklomm, ohne zu bemerken, dass jeder Mann an Bord kurz in seiner Arbeit innehielt, um einen Blick auf ihre schlanken Fesseln zu erhaschen, die kurz zu sehen waren. Über Tess’ Kopf hinweg zermalmte Dane seine Leute mit einem eisigen Blick, während er sich vorbeugte, um ihr
Weitere Kostenlose Bücher