Ein Pirat zum Verlieben
Oder sich einen von Pennys Filmen anzusehen oder – Was würdest du dafür geben?, fragte eine innere Stimme sie. Würdest du dafür alles aufgeben? Sie erstarrte. Diese innere Stimme war ganz schön lästig. Und Tess war sich nicht sicher, ob ihr die Erkenntnis zusagte, dass Dane Alexander Blackwell, Kapitän zur See der amerikanischen Marine und Vertrauter des Präsidenten, zu ihrem Lebensinhalt geworden war. Verdammt, er hätte bei der Schlägerei ums Leben kommen können! In dieser Epoche starben die Menschen an so geringfügigen Dingen, dass sie nicht einmal alle aufzählen konnte. Und was, wenn sie Dane verlor?
Ein scharfer Schmerz bohrte sich durch ihre Brust, und sie hatte Mühe, Luft zu holen. Sie richtete den Blick wieder auf die Straße und versuchte, ihre Gefühle zu sondieren. Was würde mit ihr passieren, wenn sie die Chance bekam, in die Zukunft zurückzukehren? Und wann würde das sein? Nächste Woche? Nächstes Jahr? Nie? Und wo würde sie hinkommen? Es waren dieselben Fragen, die sie sich stellte, seit sie entdeckt hatte, in welchem Jahrhundert sie sich befand. Sie war nicht gern von anderen abhängig, war es noch nie gewesen. Seit ihrer Kindheit war sie allein zurechtgekommen, aber im Jahr 1789 waren die Möglichkeiten für Frauen begrenzt bis nicht vorhanden. Männer waren Lehrer oder Politiker oder hatten Grundbesitz; Frauen waren Gouvernanten, Kindermädchen oder Dienstmägde, abhängig von dem, was Männer ihnen zugestanden, ob es nun ihre Väter oder ihre Ehemänner waren. Männer beherrschten die Bühne; Frauen zahlten den Preis. Und die Tatsache, dass sie Männer brauchte, um sich vor anderen Männern zu schützen, machte sie rasend. Aber wenn es sein musste, konnte sie sich den Umständen anpassen. Sie beobachtete die Menschen auf den Straßen. Sie lebten, überlebten, liebten. Was willst du tun, Renfrew, dich für die nächsten hundert Jahre verstecken?
»Sag doch etwas, Tess«, hörte sie Danes Stimme von der anderen Seite der Eichentür. »Was willst du denn mit deinem Schweigen bezwecken?« Seine Bitte stieß auf taube Ohren. Er wusste, dass sie da drinnen war; ein Zimmermädchen hatte heute bereits zwei Mahlzeiten und Wasser zum Waschen gebracht. Er sah kurz zu Duncan, der gerade den Tisch für das Abendessen deckte, ging dann achselzuckend zu einem Sessel und ließ sich mit einem schweren Seufzer hineinfallen.
Ihr Verhalten zerrte an seinen Nerven. Es sah Tess nicht ähnlich, über Problemen zu brüten, statt sie offen zur Sprache zu bringen. Gerade das gefiel ihm so gut an ihr – dass sie zu ihren Gefühlen stand, sagte, was sie wollte und wann sie es wollte. Plötzlich kam ihm ein schrecklicher Gedanke, und er setzte sich abrupt auf. Hatte sie eine Art Zeichen oder Vision empfangen, einen Hinweis, dass sie in ihre Zeit zurückkehren würde? Er stand auf, ging durchs Zimmer und klopfte energisch an ihre Tür.
»Sie ist nicht da, Sir.«
Dane fuhr herum und sah Potts, der seinen Kopf zur Zimmertür hereinsteckte. »Ich habe mich wohl gerade verhört, Mr. Potts.«
»Nein, Sir.« Potts kam herein und drehte nervös seine Mütze in den Händen hin und her. »Die Dame hat gesagt, dass sie frische Luft braucht, Sir.«
Dane machte ein paar Schritte, und Potts duckte sich. »Und Sie haben sie einfach gehen lassen!«, donnerte er.
»Lady Renfrew kann sehr überzeugend sein, Sir.«
Dane schoss hinaus und rannte nach unten, wobei er auf der Treppe immer drei Stufen auf einmal nahm. »Mr. Sikes hat ein Auge auf das Mädchen!«, hörte er Potts rufen. Auf dem Treppenabsatz traf er Ramsey, und der Kapitän der Triton lief mit ihm zusammen aus dem Gasthaus, dicht gefolgt von ein paar Mitgliedern der Crew. Die Männer schwärmten in alle Richtungen aus, aber Dane war erst ein paar Schritte gegangen, als er sie schon sah.
Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, rieb sich dann den Nacken und versuchte, seinen flatternden Puls zu beruhigen. Durch die Stämme der Palmen hindurch konnte er Tess über den Strand laufen sehen. Ihre Schuhe baumelten an ihren Fingerspitzen, und sie stieß mit den Zehen Sand auf. Ramsey lief beinahe in ihn hinein.
»Gott, was für ein Anblick!« Ihr schwarzes Haar war offen und wehte im Wind.
»Ja, nicht wahr?«, erwiderte Dane sehnsüchtig, und sein Freund spürte die Tiefe seiner Gefühle, die sein Freund für gewöhnlich verbarg.
»Sie ist in dich verliebt, das weißt du.« Bedauern schwang in Ramseys Stimme mit.
»Nein, weiß ich nicht«,
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