Ein plötzlicher Todesfall
Er hatte sie schon einmal auf einem Schulcomputer aufgerufen, zu Hause auf seinem eigenen Computer hatte er sich nicht in die Nähe der Seite gewagt. Sein Vater mochte zwar absolut keine Ahnung vom Internet haben, doch Andrew schloss die Möglichkeit nicht aus, dass Simon in seiner Firma jemanden auftreiben könnte, der ihm bei Nachforschungen helfen würde, sobald er seinen Plan durchgezogen hatte.
Selbst an diesem gut besuchten, anonymen Ort lieà sich weder vermeiden, dass das Datum auf dem Posting zu finden sein würde, noch könnte er so tun, als wäre er zur fraglichen Zeit nicht in Yarvil gewesen, doch Simon hatte im Leben noch kein Internetcafé betreten, und vielleicht war ihm nicht einmal bewusst, dass es so etwas gab.
Andrews Herz zog sich so schnell zusammen, dass es schmerzte. Rasch scrollte er die Nachrichtenseite herunter, auf der allem Anschein nach nicht viel los war. Es gab Threads mit Titeln wie: »Zusammenlegung verweigern, eine Anfrage«, oder: »Personal in den Schulbezirken Crampton und Little aufstocken?« Etwa jeder zehnte Eintrag war ein Posting vom Administrator, der jedes Mal Auszüge aus dem Protokoll von der letzten Gemeinderatssitzung angehängt hatte. Ganz unten, am Ende der Seite, war ein Thread mit dem Titel: »Tod von Gemeinderat Barry Fairbrother«. Dieser Thread war einhundertzweiundfünfzig Mal angeklickt worden und hatte dreiundvierzig Kommentare erhalten. Dann fand Andrew auf der zweiten Seite des Forums das, was er gehofft hatte zu finden: ein Posting von dem Toten.
Zwei Monate zuvor war Andrews Computerkurs von einem jungen Aushilfslehrer beaufsichtigt worden. Er hatte sich cool gegeben und versucht, die Klasse für sich zu gewinnen. Er hätte SQL-Einschleusungen erst gar nicht erwähnen sollen, und Andrew war sich ziemlich sicher, dass er nicht als Einziger geradewegs nach Hause gegangen war und sich schlaugemacht hatte. Er zog das Stück Papier mit dem Code heraus, den er in der Schule recherchiert hatte, und rief die Anmeldeseite des Gemeinderats auf. Alles hing jetzt davon ab, dass die Website vor langer Zeit von einem Amateur eingerichtet und nie vor den einfachsten, klassischen Hackermethoden geschützt worden war.
Vorsichtig, nur mit dem Zeigefinger, gab er die magische Reihe von Schriftzeichen ein.
Er las sie zweimal durch und vergewisserte sich, dass jedes Apostroph genau da war, wo es hingehörte, zögerte noch kurz, atmete flach und drückte dann auf Enter.
Er schnappte nach Luft, ausgelassen wie ein kleines Kind, und musste gegen den Drang ankämpfen, zu schreien oder die Faust in die Luft zu stoÃen. Er hatte die Schrottseite beim ersten Versuch geknackt. Auf dem Bildschirm waren Barry Fairbrothers Benutzerangaben erschienen: sein Name, sein Passwort, sein gesamtes Profil.
Andrew strich das Zauberpapier glatt, das er nachts in seinem Kopfkissenbezug versteckt hatte, und machte sich an die Arbeit. Das Eintippen des Absatzes mit den zahlreichen durchgestrichenen und verbesserten Wörtern war wesentlich mühsamer.
Er hatte sich um einen möglichst neutralen Stil bemüht, um den unbeteiligten Ton eines Boulevardjournalisten.
Simon Price, Gemeinderat in spe, hofft, mit einem Programm zur Kürzung unnötiger Ausgaben die Gemeinde zu überzeugen. Mr Price sind Einsparungen keineswegs fremd, und er sollte in der Lage sein, den Gemeinderat von seinen vielen nützlichen Kontakten profitieren zu lassen. Privat spart er Geld damit, sein Haus mit Diebesgut auszustatten â erst vor kurzem einen neuen PC â, und er ist der Ansprechpartner für jeden Billigdruck, der bar auf die Hand bezahlt wird, sobald die Geschäftsleitung der Druckerei Harcourt-Walsh nach Hause gegangen ist.
Andrew las die Nachricht zweimal durch. In Gedanken war er sie immer wieder durchgegangen. Er hätte Simon mit vielen Anschuldigungen belasten können, doch es gab kein Gericht, vor dem Andrew die wahren Anklagen gegen seinen Vater hätte vorbringen, Erinnerungen an körperliche Gewalt und rituelle Demütigungen als Beweis hätte anführen können. Ihm blieben lediglich die vielen geringfügigen Vergehen, mit denen er Simon hatte prahlen hören. Andrew hatte diese konkreten Beispiele ausgewählt â den gestohlenen Computer und die heimlichen Druckarbeiten nach Feierabend â, weil beide ausschlieÃlich mit Simons Arbeitsplatz verbunden waren. Die Leute von der Druckerei
Weitere Kostenlose Bücher