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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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West in Yarvil und rief seine Frau für gewöhnlich nie von der Arbeit aus an. Parminder umklammerte den Hörer so fest, dass ihre Finger schmerzten.
    Â»Ich habe es nur durch Zufall erfahren. Klingt nach einem Aneurysma. Ich habe Huw Jeffries gebeten, die Obduktion ganz oben auf die Liste zu setzen. Besser für Mary, wenn sie möglichst bald weiß, was es war. Sie dürften ihn sich schon vorgenommen haben.«
    Â»Okay«, flüsterte Parminder.
    Â»Tessa Wall war dabei«, sagte er. »Ruf Tessa an.«
    Â»Ja«, sagte Parminder. »Mach ich.«
    Aber als sie aufgelegt hatte, sank sie auf einen der Küchenstühle und starrte aus dem Fenster in den Garten, ohne etwas wahrzunehmen, die Finger an den Mund gedrückt.
    Alles war zerstört. Die Tatsache, dass alles noch da war – die Wände, die Stühle und die aufgehängten Kinderzeichnungen – bedeutete nichts. Jedes einzelne Atom war auseinandergesprengt worden und hatte sich im selben Moment wieder zusammengefügt. Der Eindruck von Beständigkeit und Stabilität war lächerlich. Bei der kleinsten Berührung würde sich alles auflösen, da es plötzlich fragil und mürbe geworden war.
    Sie hatte keine Kontrolle über ihre Gedanken. Auch die waren wie zerstört, und zufällige, bruchstückhafte Erinnerungen tauchten auf und wirbelten wieder davon: der Tanz mit Barry auf der Neujahrsfeier bei den Walls und das alberne Gespräch, das sie auf dem Rückweg von der letzten Gemeinderatssitzung geführt hatten.
    Â»Du hast ein kuhgesichtiges Haus.«
    Â»Kuhgesichtig? Was heißt das denn?«
    Â»Es ist vorne schmaler als hinten. Das bringt Glück. Aber es steht an einer Straßenmündung. Das bringt Unglück.«
    Â»Also gleicht sich das aus«, hatte Barry gesagt.
    Das Blutgefäß in seinem Kopf musste zu dem Zeitpunkt schon gefährlich angeschwollen gewesen sein, und sie hatten es beide nicht gewusst.
    Wie betäubt ging Parminder von der Küche in das düstere Wohnzimmer, in dem es wegen der hoch aufragenden Föhre im Vorgarten nie richtig hell wurde, egal bei welchem Wetter. Parminder konnte den Baum nicht leiden, doch er blieb stehen, da Vikram und sie wussten, welches Theater die Nachbarn machen würden, wenn sie ihn fällten.
    Sie kam nicht zur Ruhe. Ging durch den Flur, dann zurück in die Küche, wo sie zum Telefon griff und Tessa Wall anrief, die nicht abnahm. War vermutlich bei der Arbeit. Zitternd kehrte Parminder zum Küchenstuhl zurück.
    Ihr Kummer war derart groß und ungezügelt, dass er sie ängstigte wie eine wilde Bestie, die unerwartet aus der Erde hervorgebrochen war. Barry, der kleine, bärtige Barry, ihr Freund, ihr Verbündeter.
    Ihr Vater war genauso gestorben. Sie war fünfzehn gewesen, war aus der Stadt zurückgekommen und hatte ihn auf dem Rasen liegend gefunden, den Rasenmäher neben sich und die Sonne heiß auf seinem Hinterkopf. Parminder verabscheute plötzliche Todesfälle. Langes Siechtum, vor dem sich so viele Menschen fürchteten, war für sie eine tröstliche Aussicht. Zeit, alles vorzubereiten und zu organisieren, Zeit, um sich zu verabschieden …
    Noch immer drückte sie die Hände fest auf den Mund. Sie starrte auf das ernste, liebe Gesicht von Guru Nanak, das ans Korkbrett geheftet war.
    (Vikram mochte das Foto nicht.
    Â»Was soll das hier?«
    Â»Mir gefällt es«, hatte sie trotzig geantwortet.)
    Barry war tot.
    Sie unterdrückte das starke Verlangen, in Tränen auszubrechen, mit einer Heftigkeit, die ihre Mutter immer missbilligt hatte, vor allem nach dem Tod des Vaters, als sich ihre anderen Töchter und die Tanten und Kusinen alle laut klagend auf die Brust geschlagen hatten. »Und das auch noch, wo du doch seine Lieblingstochter warst!« Aber Parminder hatte ihre ungeweinten Tränen tief in sich verschlossen, wo sie anscheinend eine chemische Umwandlung durchmachten, um dann später als Lavaströme der Wut in die Außenwelt zurückzukehren, die sich regelmäßig über ihre Kinder und die Arzthelferinnen ergossen.
    Noch immer sah sie Howard und Maureen hinter dem Ladentisch stehen, der eine gewaltig, die andere dürr, und in ihrer Vorstellung blickten sie von weit oben auf sie herab, während sie ihr erzählten, dass ihr Freund tot war.
    Mit einem Schwall von Wut und Hass, den sie beinahe freudig begrüßte, dachte

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