Ein plötzlicher Todesfall
Pult, und Sukhvinder betrachtete sie hingebungsvoll, bestaunte Gaias gutes Aussehen, verzückt vor Bewunderung für deren Leben. Der Gedanke, eine andere Welt zu haben, zu der man vollständig gehörte, in der man einen FuÃballer zum Freund und eine Clique cooler, enger Freundinnen hatte, erschien ihr, selbst wenn man zwangsweise aus allem herausgerissen worden war, ein Ehrfurcht gebietender und beneidenswerter Zustand.
Mittags gingen sie zusammen einkaufen, was Sukhvinder sonst fast nie machte, denn für gewöhnlich aà sie mit den Fairbrother-Zwillingen in der Schulkantine.
Als sie auf dem Bürgersteig vor dem Zeitungsladen herumlungerten, bei dem sie Sandwichs gekauft hatten, hörten sie durchdringendes Geschrei.
»Deine scheià Mum hat meine Nan umgebracht!«
Alle Schüler der Winterdown, die in der Nähe des Zeitungsladens zusammenstanden, schauten sich verwirrt nach der Quelle des Lärms um, auch Sukhvinder, ebenso verblüfft wie alle anderen. Dann entdeckten sie Krystal Weedon, die auf der anderen StraÃenseite stand und einen ihrer kräftigen Finger wie eine Waffe ausstreckte. Sie hatte vier andere Mädchen bei sich, nebeneinander aufgereiht, zurückgehalten vom Verkehr.
»Deine scheià Mum hat meine Nan umgebracht! Die wird fertiggemacht, genau wie du!«
Sukhvinders Magen schien sich aufzulösen. Alle Welt starrte sie an. Ein paar Achtklässlerinnen huschten auÃer Sichtweite. Sukhvinder spürte, dass die Umstehenden sich in eine gespannte Meute verwandelten. Krystal und ihre Clique wippten auf Zehenspitzen und warteten auf eine Lücke zwischen den vorbeifahrenden Autos.
»Wovon redet sie?«, wollte Gaia von Sukhvinder wissen, deren Mund so trocken war, dass sie nicht antworten konnte. Wegzulaufen hatte keinen Sinn. Das würde sie nie schaffen. Leanne Carter war die Schnellste aus ihrem Jahrgang. Das Einzige, was sich auf der Welt zu bewegen schien, waren die vorbeifahrenden Autos, die ihr ein paar letzte Sekunden der Sicherheit schenkten.
Dann tauchte Jaswant auf, begleitet von mehreren Jungs aus der Oberstufe.
»Alles klar, Jolly?«, fragte sie. »Was geht?«
Jaswant hatte Krystal nicht gehört. Dass sie mit ihrem Gefolge hier entlangkam, war nur ein glücklicher Zufall. Auf der anderen StraÃenseite steckten Krystal und ihre Freundinnen die Köpfe zusammen.
»Nicht viel«, erwiderte Sukhvinder, schwindelig vor Erleichterung über ihre vorläufige Rettung. Vor den Jungs konnte sie Jaz nicht sagen, was los war. Alle starrten Gaia an.
Jaz und ihre Freunde betraten den Zeitungsladen, und Sukhvinder, die Gaia einen bittenden Blick zuwarf, folgte ihnen. Gemeinsam mit Gaia beobachtete sie durch das Fenster, wie Krystal und ihre Clique weiterzogen und alle paar Schritte einen Blick zurückwarfen.
»Was war das denn?«, fragte Gaia.
»Ihre UrgroÃmutter war Patientin bei meiner Mutter, und sie ist gestorben«, sagte Sukhvinder. Ihr Bedürfnis zu weinen war so groÃ, dass ihr die Halsmuskeln schmerzten.
»Blöde Schlampe«, sagte Gaia.
Doch Sukhvinders unterdrücktes Schluchzen kam nicht nur von den Nachwirkungen der Angst. Sie hatte Krystal sehr gemocht und wusste, dass Krystal sie auch gemocht hatte. Die vielen Nachmittage im Ruderboot, die Fahrten im Minivan. Sie kannte die Anatomie von Krystals Rücken und Schultern besser als ihre eigene.
Mit Jaswant und ihren Freunden gingen sie zur Schule zurück. Der am besten aussehende Junge fing eine Unterhaltung mit Gaia an. Als sie zu den Schultoren kamen, zog er sie wegen ihres Londoner Akzents auf. Sukhvinder konnte Krystal nirgendwo endecken, sah aber Fats Wall in einiger Entfernung mit Andrew Price abhängen. Sie hätte seine Gestalt und seinen Gang überall erkannt, so wie ein ursprünglicher Instinkt ihr half, eine Spinne zu erkennen, die über einen dunklen Flur huscht.
Wogen der Ãbelkeit überliefen sie, während sie sich dem Schulgebäude näherte. Ab jetzt waren sie zu zweit: Fats und Krystal. Alle Welt wusste, dass die beiden miteinander gingen. Und Sukhvinder sah sich blutend am Boden liegen, während Krystal und ihre Clique sie zusammentreten und Fats Wall lachend zuschaut.
»Muss aufs Klo«, sagte sie zu Gaia. »Wir sehen uns oben.«
Sie tauchte in der ersten Mädchentoilette ab, an der sie vorbeikamen, schloss sich in einer Kabine ein und setzte sich auf den geschlossenen Deckel.
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