Ein plötzlicher Todesfall
bis sie ihn anbrüllte, endlich den Mund zu halten.
Später, als es dunkel war â nachdem Krystal ihrem Bruder Nudeln gekocht und ihn gebadet hatte und die Beerdigung längst vorüber war â, klopfte Obbo an die Haustür. Krystal sah ihn vom Fenster in Robbies Zimmer aus und versuchte, als Erste unten zu sein, aber Terri kam ihr zuvor.
»Was geht, Ter?«, fragte er und war schon über die Schwelle, bevor ihn jemand hereingebeten hatte. »Hab gehört, du hast mich vorige Woche gesucht.«
Obwohl sie ihm gesagt hatte, er solle sich nicht vom Fleck rühren, war Robbie seiner Schwester nach unten gefolgt. Krystal roch sein frisch gewaschenes Haar durch den Gestank nach Glimmstängeln und abgestandenem SchweiÃ, der in Obbos uralter Lederjacke hing. Obbo hatte schon einiges intus. Als er sie lüstern angrinste, schlug ihr eine Bierfahne entgegen.
»Was geht, Obbo?«, sagte Terri in einem Ton, den Krystal sonst nie hörte. Ihre Stimme war versöhnlich und zuvorkommend, sie lieà anklingen, dass er in ihrem Haus etwas zu sagen hatte. »Wo warst du denn?«
»Bristol«, erwiderte er. »Und du, Ter?«
»Sie will nix«, sagte Krystal.
Er zwinkerte ihr durch seine dicken Brillengläser zu. Robbie klammerte sich so fest an Krystals Beine, dass seine Nägel sich in ihre Haut bohrten.
»Wer ist ân das, Ter?«, fragte Obbo. »Deine Mum?«
Terri lachte. Krystal funkelte ihn wütend an, Robbies Krallengriff fest an ihrem Oberschenkel. Obbos verschwommener Blick wanderte zu ihm hinab.
»Und was macht mein Junge?«
»Das ist nicht dein scheià Junge«, sagte Krystal.
»Woher willste das wissen?«, fragte Obbo sie leise.
»Verpiss dich. Sie will nix. Sagâs ihm«, schrie Krystal ihre Mutter förmlich an. »Sag ihm, dass du nix willst.«
Eingeschüchtert, gefangen zwischen zwei Menschen, die beide einen stärkeren Willen hatten als sie, sagte Terri: »Er will ja bloà sehn â¦Â«
»Nee, will er nicht«, erwiderte Krystal. »Nee, überhaupt nicht. Sagâs ihm. Sie will nix, verflucht«, sagte sie Obbo erbittert ins grinsende Gesicht. »Sie ist seit Wochen davon ab.«
»Stimmt das, Terri?«, fragte Obbo, noch immer lächelnd.
»Ja«, sagte Krystal, als Terri nicht antwortete. »Sie ist noch immer in Bellchapel.«
»Nicht mehr lange«, sagte Obbo.
»Verpiss dich.«
»Wird dichtgemacht.«
»Echt?«, fragte Terri in plötzlicher Panik. »Das ist nicht wahr, oder?«
»Doch«, erwiderte Obbo. »Kürzungen vielleicht?«
»Du hast ja keine Ahnung«, sagte Krystal zu Obbo. »Das ist Schwachsinn«, erklärte sie ihrer Mutter. »Die haben doch nix gesagt, oder?«
»Kürzungen«, wiederholte Obbo. Er klopfte seine ausgebeulten Taschen nach Zigaretten ab.
»Denk dran, deine Fallprüfung«, rief Krystal ihrer Mutter ins Gedächtnis. »Du kannst nicht spritzen. Geht nicht.«
»Was ân das?« Obbo fummelte mit seinem Feuerzeug herum, doch die beiden Frauen klärten ihn nicht auf. Terri begegnete kurz dem Blick ihrer Tochter. Zögernd schaute sie auf Robbie, der sich in seinem Schlafanzug noch immer an Krystals Bein klammerte.
»War aufâm Weg ins Bett, Obbo«, murmelte sie, ohne ihn anzuschauen. »Vielleicht ein andermal.«
»Hab gehört, deine Nan ist gestorben«, sagte er. »Cheryl hatâs mir gesteckt.«
Terri verzog das Gesicht vor Schmerz und sah so alt aus wie Nana Cath. »Ja, ich geh jetzt ins Bett. Komm, Robbie. Komm mit, Robbie.«
Robbie wollte Krystal nicht loslassen, solange Obbo noch da war. Terri streckte ihre klauenförmige Hand aus.
»Los, mach schon, Robbie«, drängte Krystal ihn. Wenn sie in der richtigen Stimmung war, drückte Terri ihren Sohn wie einen Teddybär an sich. Lieber Robbie als Smack. »Geh mit Mum.«
Etwas in Krystals Stimme beruhigte ihn, und er lieà sich von Terri mit nach oben nehmen.
»Bis dann«, sagte Krystal, ohne Obbo anzusehen. Sie ging in die Küche, nahm die letzte von Fats Walls Selbstgedrehten aus der Tasche und beugte sich vor, um sie am Gasherd anzuzünden. Die Haustür fiel ins Schloss, und sie triumphierte. Scheià auf ihn .
»Hast ân geilen Arsch, Krystal.«
Sie fuhr so heftig zusammen, dass ein Teller von der überhäuften Anrichte fiel und auf den dreckigen Boden
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