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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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Nachwuchs zu disziplinieren, sich als Gemeinschaft zusammenzureißen und gegen den Dreck und die Schäbigkeit vorzugehen. Nichts, was sie davon abhielt, sich ordentlich zu waschen und Arbeit zu suchen, überhaupt nichts. Daher kam Howard unweigerlich zu dem Schluss, dass sie dieses Leben aus freien Stücken gewählt hatten und dass die leicht bedrohliche Atmosphäre der Siedlung nichts anderes war als eine Manifestation von Ignoranz und Faulheit.
    Im Gegensatz dazu erstrahlte Pagford nach Howards Ansicht in einer Art moralischem Glanz, als komme die kollektive Seele der Gemeinde im Kopfsteinpflaster der Straßen, in den Hügeln, den malerischen Häusern zum Ausdruck. Für Howard war sein Geburtsort viel mehr als eine Ansammlung alter Gebäude und ein rasch fließender, von Bäumen gesäumter Fluss, die eindrucksvolle Silhouette der Abtei hoch über dem Marktplatz. Für ihn war der Ort ein Ideal, eine Lebensart, eine Mikro-Zivilisation, die Widerstand gegen den nationalen Niedergang leistete.
    Â»Ich bin ein echter Pagforder«, erzählte er den Sommertouristen, »hier geboren und aufgewachsen.« Damit machte er sich selbst ein gut klingendes Kompliment, getarnt als Gemeinplatz. Er war in Pagford geboren, er würde hier sterben, und er hatte nie daran gedacht, von hier fortzugehen, war auch nicht interessiert daran, eine andere Landschaft vor sich zu sehen als Wald und Fluss im Wechsel der Jahreszeiten und den im Frühjahr erblühenden und zu Weihnachten funkelnden Marktplatz.
    Barry Fairbrother hatte das alles gewusst, hatte es sogar laut ausgesprochen. Er hatte gelacht, hatte Howard quer über den Tisch im Gemeindesaal hinweg ins Gesicht gelacht. »Weißt du, Howard, für mich bist du Pagford.« Und Howard, nicht im Geringsten aus der Fassung gebracht (denn er hatte Barrys Witzen stets Kontra gegeben), hatte gesagt: »Ich fasse das als großes Kompliment auf, Barry, wie auch immer es gemeint war.«
    Er konnte es sich leisten zu lachen. Das einzig verbliebene Ziel in Howards Leben lag in Reichweite: die Rückgabe von Fields an Yarvil schien unmittelbar bevorzustehen und ganz gewiss zu sein.
    Dann, kurz bevor Barry auf dem Parkplatz tot umgefallen war, hatte Howard aus sicherer Quelle erfahren, dass sein Gegner alle Anstandsregeln gebrochen und sich mit einem Artikel darüber, welch ein Segen es für Krystal Weedon gewesen war, St. Thomas zu besuchen, an die Lokalzeitung gewandt hatte.
    Die Vorstellung, dass Krystal Weedon der Leserschaft als ein Beispiel erfolgreicher Integration von Fields in Pagford vorgeführt wurde, hätte (wie Howard sagte) komisch sein können, wäre die Sache nicht so ernst gewesen. Zweifellos hatte Fairbrother das Mädchen vorbereitet, und die Wahrheit über ihr loses Mundwerk, die endlosen Störungen des Unterrichts, die in Tränen aufgelösten Klassenkameraden, das ständige Ausgliedern und Wiedereingliedern, all das würde hinter Lügen verschwinden.
    Howard vertraute auf den gesunden Menschenverstand seiner Mitbürger, fürchtete jedoch journalistische Meinungsmache und die Einmischung unwissender Gutmenschen. Er war sowohl aus prinzipiellen als auch persönlichen Gründen dagegen, denn er hatte nicht vergessen, wie seine Enkeltochter in seinen Armen geschluchzt hatte, mit blutigem Gaumen, wo einst die Zähne gewesen waren, während er versuchte, sie mit der Aussicht auf einen Dreifachpreis von der Zahnfee zu trösten.

Dienstag
    I
    Zwei Tage nach dem Tod ihres Mannes wachte Mary Fairbrother um fünf Uhr auf. Sie hatte im Ehebett geschlafen, neben Declan, ihrem Zwölfjährigen, der schluchzend zu ihr gekrochen war. Jetzt schlief er fest, daher schlich Mary sich aus dem Zimmer und ging hinunter in die Küche, um ungehemmter weinen zu können. Jede Stunde, die verging, vergrößerte ihre Trauer, weil sie Mary weiter von dem lebendigen Mann entfernte und ein winziger Vorgeschmack auf die Ewigkeit war, die sie ohne ihn verbringen musste. Immer wieder vergaß sie für kurze Augenblicke, dass er für alle Zeit fort war und sie sich nicht Trost suchend an ihn wenden konnte.
    Als ihre Schwester und ihr Schwager kamen, um Frühstück zu machen, nahm sich Mary Barrys Handy und zog sich ins Arbeitszimmer zurück, da sie die Telefonnummern von Barrys Bekannten heraussuchen wollte. Sie hatte gerade erst damit angefangen, als das Handy in ihrer Hand

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