Ein Pony mit Herz
roch nach Zwiebeln und Speck. Das war nicht Zottels Sache — auch wenn sich ein zarter Duft nach frischem Kuchen in die Küchengerüche mischte.
Zottel schlug lieber den Weg zu den Vorratsräumen ein. Zu seinem Ärger war die Tür heute geschlossen. Ausgerechnet wenn er einen Gast hatte, dem er imponieren wollte! Zottel trat schnaubend einmal kurz gegen das Holz, um seine Verachtung kundzutun, und wandte sich ab, als gäbe es hier ohnehin nichts zu holen.
Doch die Neugier der schwarzweißen Stute war geweckt. Und mit geschlossenen Türen schien sie sich auszukennen. Sie legte ihr Kinn schwer auf den Griff, drückte ihn hinunter und zog ihn zugleich etwas zu sich heran. Nicht zu fassen! Die Tür sprang auf! Als wäre sie hier zu Hause, betrat die kleine Ponystute den Raum und hob schnuppernd die Nase. Zottel folgte ihr, fast ein bißchen beleidigt, daß ihm dieser Trick nicht eingefallen war.
Sehr vielversprechend war das Angebot nicht. Die interessantesten Dinge befanden sich in Blechbehältern oder Plastiksäcken. Immerhin stand eine Kiste mit Äpfeln im Regal, viel schöner und frischer als es die auf dem Baum gewesen waren. Und eine weitere Kiste mit Mohrrüben befand sich direkt daneben.
Die Schwarzweiße schritt an den Plastiksäcken vorbei und schnupperte kurz an jedem einzelnen Sack, als nähme sie eine Parade ab. Mehl, Nudeln, Reis - uninteressant. Aha! Zucker! Schon besser. Mit den Zähnen zerrte sie an der festen Plastikfolie. Zottel hielt sich lieber an das, was ihm keine Mühe bereitete. Er wandte sich den Möhren zu. Dabei beobachtete er aus den Augenwinkeln, wie die Schwarzweiße allmählich zum Inhalt des Sackes vordrang.
Da! Sie hatte es geschafft! Mit lautem Prasseln ergoß sich ein Sturzbach von Zuckerstücken auf den Fußboden. Ein solches Angebot konnte man nicht ablehnen, Zottel vergaß die Rüben und drehte sich abrupt zu dem Zuckerhügel um, der sich auf dem Fußboden erhob. Leider war der Raum etwas eng für zwei ausgewachsene Ponys, und Zottels Drehung fiel bei weitem zu schwungvoll aus. Sein rundes Hinterteil streifte das Regal und blieb an der Apfelkiste hängen, die gab dem Korb mit Zwiebeln einen Schubs, der wiederum ein paar Flaschen mit Speiseöl über die Kante schob. Klirrend zerbrachen die Flaschen am Boden: Öl mischte sich mit Zucker, Zwiebeln und Äpfeln zu einem ungenießbaren Gericht, das auch dadurch kaum besser wurde, daß Zottel es in seiner Aufregung mit den Hufen zu Brei verarbeitete.
Die schwarzweiße Stute war erschrocken aufgefahren, letzt sah sie Zottel vorwurfsvoll an. Nun, hier war nichts mehr zu holen, besser, man machte sich aus dem Staub, ehe es Ärger gab. Vorsichtig witternd schritt sie ins Freie. Zottel folgte ihr schuldbewußt.
Genau in diesem Augenblick trat die dicke Wirtin aus der Küchentür in den Hof, in den Händen ein großes Blech mit frischem Käsekuchen, der Spezialität des Hauses. Da wegen der Kälte sofort ihre Brille beschlug, erkannte sie die Ponys nicht. Nur zwei Paar bedrohlich große Augen leuchteten ihr aus der Dunkelheit entgegen. Die dicke Wirtin schrie auf.
Nichts wie weg hier! Zottel und die Schwarzweiße ergriffen die Flucht. Leider führte ihr Weg an der Dicken vorbei, eine andere Möglichkeit zu entfliehen gab es nicht. Einer rechts, einer links, stürmten sie im Galopp auf das Hindernis zu, klemmten die dicke Wirtin für einen Augenblick zwischen sich ein, rissen sie mit, so daß sie sich wie ein Kreisel ein paarmal um sich selbst drehte, und stürmten ins rettende Dunkel davon. Die Frau hatte sich an ihrem Kuchenblech festgeklammert, als könne es ihr Halt geben. Doch die letzte Drehung geriet allzu schwungvoll, sie verlor das Gleichgewicht, kämpfte um Halt, senkte sich langsam, aber unermüdlich in die Schräglage und fiel der Länge nach zu Boden. Vor einem allzu harten Aufprall des Gesichts und der teuren Brille schützte zum Glück der Käsekuchen, er umfing sie sanft und weich und noch warm.
Ein paar hundert Meter weiter blieben die Ponys keuchend stehen. Die kleine Stute schnaubte kräftig und reckte sich zufrieden. Zottel blinzelte zu ihr hinüber. Wenn er wirklich noch Eindruck auf sie machen wollte, mußte er sich dringend etwas einfallen lassen. Und das mußte mit Fressen zu tun haben, mit frischem Wasser und einem trockenen, warmen Platz für die Nacht. Zottel überlegte nicht lange. Der sicherste Platz, eine gut gefüllte Futterkrippe und eine große Portion von duftendem Heu — neben allen anderen
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