Ein Prinz wie aus 1001 Nacht
viel war in den letzten vierundzwanzig Stunden geschehen, dass ihr immer noch alles ganz unwirklich vorkam. Doch sie musste nur ihr verletztes Gesicht berühren und dem sehnsüchtigen Verlangen in ihrem Inneren nachspüren, dann war alles wieder da.
Was, wenn sie Shahirs Antrag angenommen hätte? Ob es ihr gelungen wäre, ihn glücklich zu machen, sodass er Faria vergessen und sich stattdessen in sie verliebt hätte?
„Kirsten, kann ich dich mal kurz sprechen?“, holte sie die ernste Stimme der Haushälterin ein. Kirsten blieb stehen, und nach einem vielsagenden Blick von Mrs. Cook, den selbst die dickfellige Jeanie nicht missverstehen konnte, zog sich der Rotschopf, wenn auch widerstrebend, zurück.
„Das ist in deinem Spind gefunden worden.“ Mrs. Cook hielt ihr die ausgestreckte Hand entgegen, auf deren Innenfläche ein funkelnder Diamantanhänger lag, der zu einer schweren Goldkette gehörte, die Kirsten zuletzt auf Lady Pamelas Frisiertisch hatte liegen sehen.
„Das … das ist doch unmöglich.“
„Ich würde dir ja gerne glauben, aber wir haben eine Zeugin, die beobachtet hat, wie du das Schmuckstück während der Frühstückspause in deinen Spind eingeschlossen hast.“
Egal, was Kirsten auch zu ihrer Verteidigung vorbrachte, niemand schien ihr Glauben zu schenken. Trotzdem beharrte sie darauf, an diesem Tag gar nicht im Umkleideraum gewesen zu sein. Es half alles nichts. In weniger als einer Stunde war alles vorbei. Mrs. Cook erklärte Kirsten, wie glücklich sie sich schätzen konnte, dass Lady Pamela Anstruther auf eine Anzeige verzichte und sich mit einer Kündigung zufriedengab. Dann half man Kirsten, ihre persönlichen Habseligkeiten in eine Tasche zu packen und geleitete sie ans Außentor des Castles.
Dort wartete bereits Jeanie auf sie. Mit schneeweißem Gesicht schob Kirsten ihr Rad auf die Freundin zu und erzählte ihr von der Kündigung.
„Aber ich war es nicht, Jeanie!“, sagte sie heiser. „Das schwöre ich dir.“
„Natürlich hast du dieses vermaledeite Ding nicht gestohlen!“, bekräftigte Jeanie und zog Kirsten ohne Umstände in ihre Arme. „Nur ein Idiot könnte so etwas annehmen!“
„Aber warum hat Morag dann gesagt, dass sie beobachtet hat, wie ich den Schmuck während der Frühstückspause in meinem Schrank versteckt habe?“
„Vielleicht hat sie ihn ja selbst gestohlen und dann die Nerven verloren? Auf jeden Fall hat sie Zugang zu den Zweitschlüsseln. Aber ich habe eher Lady Größenwahn in Verdacht.“
„Lady Pamela?“, fragte Kirsten erstaunt. „Warum sollte sie etwas mit dem Verschwinden ihres eigenen Schmucks zu tun haben?“
Jeanie schnitt eine Grimasse. „Ich hab den Braten schon gerochen, als sie dich so scheinheilig umschwänzelt hat, damit du für sie arbeitest. Sie ist zwar immer schon ein Biest gewesen, ich weiß allerdings nicht, was sie ausgerechnet gegen dich hat. Auf jeden Fall ist sie sehr gerissen, sodass es dir schwerfallen dürfte, ihre Schuld zu beweisen.“
Kirsten senkte den Kopf, um ihr Erröten zu verbergen. Natürlich konnte Jeanie nicht wissen, welchen Grund die Lady hatte, ihr Böses zu wollen. Kirsten selbst gegenüber hatte sie jedenfalls keinen Hehl daraus gemacht. Aber würde sie wirklich so weit gehen, nur um sie dafür zu bestrafen, dass sie Shahir etwas länger als normal angeschaut hatte? Irgendwie machte das alles keinen Sinn.
„Was hast du jetzt vor?“, wollte Jeanie wissen. „Dein Vater wird vermutlich völlig überschnappen, wenn ihm zu Ohren kommt, dass man dich für eine Diebin hält. Warum kommst du nicht einfach zu uns?“
„Ich kann doch nicht …“
Hinter ihnen hupte der Bus, der die Angestellten des Castles nach Dienstschluss bis zur nächsten Stadt mitnahm.
„Ich muss leider los“, sagte Jeanie. „Aber du kannst mich anrufen … Tag und Nacht, hörst du? Du bist immer willkommen.“
„Danke …“, rief Kirsten ihr hinterher. Dann beeilte sie sich, nach Hause zu kommen. Zum Glück war heute Freitag – Angus’ und Mabels Einkaufstag! Rasch lief Kirsten in ihr Zimmer hinauf und zog eine goldgefasste Visitenkarte unter ihrer Matratze hervor. Während sie wieder nach unten eilte, betete sie lautlos, dass Shahir noch nichts vom Verschwinden des Schmuckstücks gehört hatte.
„Ich … ich muss dich sprechen!“, stieß sie atemlos hervor, als er sich unter der angegebenen Nummer meldete. Sein lang anhaltendes Schweigen sagte ihr mehr als tausend Worte. Kirsten schloss die Augen. „Du weißt es
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