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Ein Pyrenäenbuch

Ein Pyrenäenbuch

Titel: Ein Pyrenäenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Bild: ‹Die Guillotine›. Vorher Pause von zwei Minuten, um
nervenschwachen Personen die Möglichkeit zu geben, den Saal zu verlassen.»
Nervenstark blieb ich bis zum Schluß und durfte noch sehen: ‹Origimltorpedierung
der Lusitania› und: ‹Die Märtyrer der Inquisition› sowie chirurgische
Operationen›. Das erinnerte mich lebhaft an die verbotenen Filme, die ich
einmal im Berliner Polizeipräsidium gesehen habe und die für alle Geschmäcker
etwas boten: Injektionen in das Weiße des Auges (Großaufnahme), Fliegerabsturz
und Szenen aus dem Harem, die den Zuschauer dem nächsten Landbriefträger in die
Arme zu treiben geeignet waren.
    Ab nach Laruns.
    So heißt der kleine Ort im Tal,
zwischen Eaux-Bonnes und Eaux-Chaudes, da fängt die Eisenbahnlinie an, und von
da aus möchte ich weiter. Ich streiche in dem dunkeln Ort umher, es ist schon
spät. Und aus Neugierde und Langerweile leuchte ich mit einer Taschenlampe eine
Steinsäule ab, die da herumsteht, und falle vor Überraschung fast auf den
dächerlichen Gegenstand), wie Rousseau das genannt hat. Da haben sie einem
einen Gedenkstein gesetzt.
    Wem —?
     
    Sechs
Fuß hoch aufgeschossen,
    Ein
Kriegsgott anzuschaun,
    Der
Liebling der Genossen,
    Der
Abgott schöner Frauen —
     
    Hier ist die andre Seite. Hier
erinnert sich das dankbare Laruns an sein berühmtes Kind: an den
Kavallerieunteroffizier J.-B. Guindey von den zehnten Husaren, der am 10.
Oktober 1806 im Gefecht bei Saalfeld Prinz Louis Ferdinand von Preußen erschossen
hat. Eine
Unterschrift besagt: «À nous le souvenir, à lui l’immortalité.» Wa dem eenen sin Uhl, is dem
annem sin Nachtigall, und welch schöne Sache ist doch der Krieg! Jedes Los
gewinnt.
    ab Laruns 21.56
    Es ist drei Viertel zwölf. Ja,
dann wären wir wohl soweit.
     
     

Lourdes
1. Der Soldat Paul Colin
     
    Der Soldat Paul Colin von den
elften Husaren, aus Liart (Ardennen) gebürtig, fuhr am 6. August 1914 zu seinem
Truppenteil, der bei Tarbes in Garnison lag. Er traf alle seine Freunde aus der
Dienstzeit. Am 15. September hielten dieselben jungen Bauern, Handwerker,
Angestellten, als Husaren verkleidet, vor der großen Kirche in Lourdes — zum
Abschiedsgottesdienst. Der Bischof von Lourdes und Tarbes, Monseigneur
Schoepfer, stand in vollem Ornat auf dem weiten Platz, mit der gesamten
Geistlichkeit. Zehn Schritt von ihm entfernt: der Regimentsstab. Armee und
Kirche — beide fühlten ihre Zeit gekommen, beide wußten: Autorität gedeiht im
Kriege. Sie standen Schulter an Schulter. Da richtete sich der
Regimentskommandeur, Herr de la Croix-Laval, vor der Front im Sattel auf und
wandte sich erst zu seinen Leuten und dann zum Prälaten. Die Tausende hörten
diese Worte:
    «Und nun, Priester des ewig
lebendigen Jesus Christus, fleh auf uns den Segen des Allmächtigen herab! Er
soll mit uns eins sein und mit denen, die uns teuer sind! Er soll vor allem
aber mit unsern Degen sein und uns den Sieg verleihen!» Zum Regiment: «Sabre en
mains!»
    Und der Bischof von Lourdes und
Tarbes segnete die elften Husaren und flehte auf die Streiter Jesu den Segen
des Himmels herab.
    So schied der Soldat Paul Colin
von der Heimaterde, gesegnet von seiner Kirche.
    Der Soldat Paul Colin bekam an
der belgischen Grenze in einem Wäldchen, dessen Namen er sich niemals merken
konnte, einen Schuß in den rechten Oberarm. Anfangs war das eine leichte Wunde,
und das erste Feldlazarett behandelte ihn entsprechend. Er wollte seiner Truppe
wieder nachgehen, als es im Arm zu zucken begann. Da mußte er bleiben. Und dann
transportierten sie ihn in ein größeres Lazarett und von dort in das Asyl von
Unsrer Lieben Frau zu Lourdes (Hilfslazarett Nr. 32), und da lag er nun. Das
Zucken war längst zum schneidenden Schmerz geworden, und sie hatten ihm gesagt,
daß es ein innerlicher Bluterguß wäre; was sie aber nicht gesagt hatten, war
ein kleines Wort, das über sein Schicksal entscheiden konnte. Brand.
    Blut und Eiter liefen aus der
Wunde, Geruch und Schmerzen waren gleich unerträglich, und weil es damals, wie
man weiß, etwas hart herging, so schafften sie den zukünftigen Kadaver in die
Leichenhalle, die grade leerstand. Da belästigte der Soldat Paul Colin keinen,
und außerdem lag er gleich da, wohin er sicherlich in ein paar Stunden gehörte.
    Die Schwester Mathilde, vom
Schwesterorden aus Nevers, dem Orden, dem die selige Bernadette angehört hatte,
die Schwester Mathilde gab den Mut nicht auf. Sie betete für den Soldaten Paul
Colin und tränkte

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