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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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hinauf.
    Drinnen war eine Frau gerade dabei, die Bücherregale zu ordnen. Sie war kaum größer als Jimmy, trug kurzes schwarzes Haar und einen schlabberigen weißen Overall. Im Hintergrund dudelte ein Radio den neuesten Hit und die Frau summte mit. Es war ein völlig fremder Rhythmus.
    »Tach«, sagte die Frau, ohne sich umzudrehen.
    Shell blieb auf der obersten Stufe stehen und traute sich nicht einzutreten.
    Die Bibliothekarin warf einen Blick über ihre Schulter. Sie hatte ein schmales Kinn und braune Augen, umgeben von Lachfältchen, ein wenig so, wie sie bei Mum ausgesehen hatten. »Komm herein und schau dich um, wenn du möchtest«, ermunterte sie Shell.
    »Darf ich?«
    »Darfst du.« Sie sang den Text des Popsongs mit und wackelte dabei mit den Hüften: »No need to ask, he’s a smooth operator, smooth operator …« Sie verstummte und zuckte mit den Schultern, als Shell immer noch in der Tür stehen blieb. »Ich beiße doch nicht.«
    »Ich dachte, man müsste alt sein«, sagte Shell.
    »Alt?«
    Shell nickte. »Um herzukommen.«
    Die Bibliothekarin lächelte. »Warum denn das?«
    »Ich habe immer nur ältere Leute hier reingehen sehen. Graue Köpfe.«
    »Hier kommen alle Kopfsorten her. Graue Köpfe, weiße Köpfe, rote Köpfe, schwarze Köpfe, Dummköpfe, Hitzköpfe.«
    Shell lachte. »Was ist denn das für ein Lied da im Radio?«
    »Das läuft gerade erst in England. Über einen Kerl, der in ganz Amerika die Herzen bricht.«
    Wahrscheinlich so einer wie Declan, dachte Shell. »Das ist nicht übel.«
    »Nun komm doch rein«, sagte die Bibliothekarin. »Ich zeig dir, was wir haben.«
    Shell trat ein. Die Bibliothekarin zeigte ihr Bücher mit Bildern, Bücher mit Geschichten, Naturbücher und dass alles in verschiedene Bereiche eingeteilt war. Auf der einen Seite stünden die Geschichten, erklärte sie, auf der anderen die Sachbücher. »Das Einzige, was wir hier im Bus nicht haben, sind Gedichte. Dafür musst du zu uns in die Bücherei kommen. Magst du Gedichte?«
    »Nein«, sagte Shell. »Nur Songs.«
    »Songs sind doch auch Gedichte, oder?«
    Shell zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.« Sie dachte an die vielen alten Songs ihrer Mutter, die alle von gebrochenen Herzen und verpassten Chancen handelten. »Coast to coast, L. A., to Chicago …«, sang die Frauenstimme im Radio. »Manche vielleicht.«
    »Suchst du irgendetwas Bestimmtes?«
    Shell schluckte. »Nein, nichts.«
    »Aber du willst dich mal umschauen?«
    Shell nickte.
    Die Bibliothekarin lächelte. »Dann schau dich um. Ich geh mal kurz runter zum Pier, eine rauchen. Kannst du hier für mich die Stellung halten?«
    Shell nickte wieder und sah zu, wie die Bibliothekarin sich entfernte, die Treppe hinunter und am Pier entlang. Die Flut kam gerade herein. Vor dem gewaltigen wogenden Blau wirkte die Frau so zierlich, dass Shell sich fragte, wie um alles in der Welt sie mit ihren Füßen an die Pedale des Busses heranreichte. Der Song im Radio verklang, wurde abgelöst von einer Unterhaltung.
    Shell wandte sich den Büchern zu. Vor der Geräuschkulisse des Radios hörte sie Mums Stimme, die in Gedanken zu ihr sprach. Es ist ein Segen der Natur. Shell trat an das Naturregal. Sie hatte ein Buch über Bäume und Büsche gesehen, strich mit dem Finger an den Buchrücken entlang. Wale und andere Meeressäuger. Heimatliche Pilze und Flechten. Die Wildnis Irlands. Brucellose: Prophylaxe und Behandlungsmöglichkeiten. Dann fand sie etwas, das mehr mit ihrem Thema zu tun hatte: Der menschliche Körper von A bis Z. Das Buch war dick und groß, mit Sicherheit zu sperrig, um es in ihre Einkaufstüte zu stecken. Sie warf einen nervösen Blick zum Pier hinunter. Die Bibliothekarin stand ganz am anderen Ende. Shells Herz pochte, das Radio knisterte.
    Sie begann zu blättern. Krankheiten und Körperteile sprangen ihr entgegen. Ataxie. Karotide. Pfeiffer’sches Drüsenfieber. Gürtelrose. Schilddrüse. Sie blätterte zum Anfang zurück und suchte nach dem Inhaltsverzeichnis. Stattdessen landete sie wieder bei A. Sie las ein paar der Einträge. Das alles hatte nichts mit ihr zu tun. Ihre Augen wurden glasig und sie las weiter, ohne das Gelesene wirklich zu verstehen. Amenorrhö: anormales Ausbleiben der Menstruation … Was zum Teufel hatte das alles zu bedeuten? Sie klappte das Buch zu, schloss die Augen. Atmete lang und heftig zwischen den Lippen hindurch aus. Dann schlug sie es wieder auf und suchte hinten im Index unter S.
    Das Wort Schwangerschaft war

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