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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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aufgelistet. Ein längerer Eintrag. Seite 368–404.
    Sie schlug die Seite 368 auf und begann zu lesen.
    Als sie zur nächsten Seite umblätterte, fiel ihr wieder ein, wo sie sich befand. Sie warf einen raschen Blick hinüber zum Pier. Die Bibliothekarin kam zurück. Sie würde jeden Moment wieder hier sein. Shell wich in den hinteren Teil des Busses zurück und versuchte die Seiten herauszureißen, aber sie waren zu fest und es waren zu viele. Ihre Hände zitterten. In Panik stopfte sie das Buch ganz nach unten in ihre Einkaufstüte, zwischen Konserven und Schachteln. Sie stellte die Bücher auf dem Regal um, damit die große Lücke, die der dicke Wälzer hinterlassen hatte, nicht zu sehen war. Sie griff sich ein anderes Buch, das in der Nähe stand, und steckte ihre Nase genau in dem Moment hinein, als draußen die Stufen zu klappern begannen.
    »Da bin ich wieder«, sagte die Bibliothekarin. »Hast du was gefunden?«
    Shell blickte auf. Ihre Wangen brannten, ihre Kehle war wie ausgetrocknet. »Ähem«, sagte sie. »Dieses hier.« Im Radio begann ein neuer Song, die schrille Stimme eines Mannes. Shell konnte den Text nicht verstehen.
    »Was ist es denn?«
    Shell warf einen Blick auf den Titel. Eine liebevolle historische Betrachtung der Brieftaube.
    Die Bibliothekarin schaute auf das Buch, dann blickte sie Shell an und brach in schallendes Gelächter aus. »Ich hätte dich nie für eine Brieftauben-Liebhaberin gehalten«, sagte sie und schaltete mitten im Song das Radio aus.
    Shell blinzelte in die Stille, zuckte mit den Schultern und stellte das Buch zurück.
    »Du kannst es ausleihen, wenn du willst«, bot die Bibliothekarin an.
    »Ich habe gar keine Leihkarte.«
    »Du kannst dich heute anmelden. Ich brauche nur deine Adresse und dein Geburtsdatum.«
    »Ich habe keine Zeit, die Eiscreme schmilzt. Hier in der Tüte.« In der Tüte war gar keine Eiscreme. Aber das brauchte die Bibliothekarin ja nicht zu wissen. »Ich muss sie nach Hause bringen.«
    »Dann vielleicht ein andermal?«, sagte die Bibliothekarin.
    Shell nickte. Sie griff nach der Tüte mit den Einkäufen und schlenderte zur Tür hinaus. »Also dann, auf Wiedersehen.« Sie betrat die Treppe.
    »Soll ich dir damit nicht helfen? Du hast ja ganz schön was zu schleppen.«
    »Geht schon. Ich komm schon klar.«
    »Dann auf Wiedersehen.«
    Sie spürte die bohrenden Blicke der Bibliothekarin im Rücken, während sie sich entfernte. »He, du. Ehe du gehst!«
    Shell war nur ein paar Schritte gegangen. Sie erschauerte und drehte sich um. »Was ist?«
    »Tauben sind was Tolles. Mein kleiner Cousin Timmy hält welche.«
    Shell starrte sie an. Die Bibliothekarin nickte. »Als er letztes Jahr nach England rüberfuhr, nahm er seine beste Brieftaube mit. In einem Käfig, mit einem Tuch drüber. Ein weißgraues Männchen, superelegant, mit einer Halskrause aus Flaum. Und als das Boot drüben ankam, ließ Timmy es raus. Am Hafen von Fishguard. Hunderte von Meilen von zu Hause entfernt. Und weißt du was?«
    Shell blickte in die lächelnden Augen der Bibliothekarin und das Herz hämmerte ihr im Brustkorb. »Was?«
    »Als sie eine Woche später aus dem Urlaub zurückkamen, wer wartete dort auf dem Dachvorsprung ihres Hauses?« Die Bibliothekarin nickte, obwohl Shell gar nichts gesagt hatte. »Richtig geraten. Unser Freund. Genau diese Brieftaube mit der flaumigen Halskrause.«
    Shell brachte ein Lächeln zu Stande.
    »Und willst du wissen, wie dieser Vogel von Timmy hieß?«, fragte die Bibliothekarin.
    Shell zuckte mit den Schultern. »Wie?«
    »Bumerang!«
    Shell rang sich ein höfliches Kichern ab.
    »Also, so was nenn ich ein Gedicht!«, sagte die Bibliothekarin.

Einundzwanzig
    Shell zerrte die Einkaufstüte in den Linienbus, der sie oberhalb des Dorfes wieder absetzte. Die Sonne brannte auf die roten Beeren der vertrocknenden Bäume herab und auf Shells Scheitel. Im Gehen spürte sie den Schweiß an ihrem Rücken. Die Henkel der schweren Einkaufstüte schnitten ihr in die Handflächen, dass es schmerzte.
    In der schläfrigen Ruhe des Mittags schritt sie durch das Dorf. Vor dem Haus des Priesters parkte kein Auto. Die Hunde, die zur Kneipe gehörten, sonnten sich auf dem Bürgersteig. McGraths Laden hatte für die Mittagspause geschlossen, die Jalousie war heruntergelassen. Kurz vor der Brücke wollte sie gerade ins Feld abbiegen, als sie ein seltsames Spotzen und Stottern hinter der Kurve hörte. Es klang wie bei einem Flugzeug im Kino, wenn der Motor immer wieder

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