Ein reines Gewissen
außerdem an den Rändern schmutzig. Irgendwann hatte es auf dem Boden gelegen. Fox versuchte es anzuschalten, aber es tat sich nichts.
»Hast du das Ladegerät?«, fragte er seine Schwester.
»Oberer Treppenabsatz.«
Nachdem Fox die Suppe einmal umgerührt hatte, rannte er die Treppe hinauf und holte das Ladegerät, das er in die freie Steckdose neben dem Wasserkessel steckte. Als er das Handy damit verband, begann ein kleines grünes Licht zu blinken. Fox legte beide Geräte hin, füllte die Suppe in eine Schüssel und suchte nach einem Löffel. In einer Tüte gab es Brot, das jedoch schon schimmelte. Er schnitt die grünlichen Stellen weg und legte das, was noch übrig war, an den Rand der Schüssel.
»Dafür musst du dich an den Tisch setzen«, sagte er, während er den Couchtisch näher an Judes Sessel schob. Sie schwang die Füße auf den Boden und stellte ihre Tasse auf den Tisch.
»Eigentlich habe ich gar keinen Hunger«, warnte sie ihn.
»Du isst das aber trotzdem.«
»Sonst?«
»Sonst bekommst du Hausarrest, junge Dame.« Es war eine ganz passable Imitation ihres Vaters, und Jude lächelte, bevor sie den Löffel in die Hand nahm.
»Wieso ist Vince' Handy so wichtig?«
»Ich frage mich, ob es irgendjemanden gibt, mit dem wir noch nicht gesprochen haben.«
»Die anderen - Giles und seine Leute - sind das alles schon durchgegangen.«
»Vielleicht bin ich einfach der Meinung, dass sie nicht so gut sind wie ich.«
Sie aß den ersten Löffel Suppe und genoss den Geschmack. »Weißt du, woran mich das erinnert?«, fragte sie.
Er nickte. »Ich habe gerade genau dasselbe gedacht.« Er ging wieder in die Küche und schaltete das Handy ein.
»Seine Pin-Nummer sind vier Nullen«, rief Jude ihm zu.
Das passte: Vince war zu faul gewesen, die Voreinstellung zu ändern. Andererseits deutete es aber vielleicht auch darauf hin, dass er vor Jude wenig - wenn überhaupt irgendetwas - zu verbergen hatte. Fox gab die Ziffern ein. Vince' Bildschirmschoner war ein Foto von 1966. Es zeigte Bobby Moore, wie er die World-Cup-Trophäe in die Höhe hielt. Fox brauchte ein Weilchen, um herauszubekommen, wie man das Handy bediente, aber am Ende hatte er das Anrufprotokoll gefunden. Es umfasste annähernd zweihundert Einträge. Er nahm an, dass Giles' Ermittler sich nur für die letzten interessiert hatten, doch Fox ging weiter zurück. Er zog einen Notizblock aus der Tasche und fing an, häufiger wiederkehrende Nummern samt Datum, Uhrzeit und Dauer aufzuschreiben. Manche waren mit Namen aufgelistet - Jude, Ronnie, Werkstatt, Marooned, Oliver -, andere nicht.
»Wie schmeckt die Suppe?«, fragte er Jude.
»Ich war ein braves Mädchen und habe sie ganz aufgegessen.« Sie hatte sich aus ihrem Sessel erhoben, brachte die leere Schüssel in die Küche und stellte sie in die Spüle. Dann beugte sie sich zu ihm und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
»Wofür das?«
»Mir war gerade danach.« Sie betrachtete die Nummern auf seinem Block.
»Kommt dir irgendeine bekannt vor?«, fragte er.
»Nicht so richtig. Meinst du, dass vielleicht die Person, die ...?« Unfähig, den Satz zu vollenden, brach sie ab. Dann räusperte sie sich und versuchte es mit einer anderen Formulierung. »Glaubst du, dass es jemand war, den er kannte?«
Fox zuckte die Achseln. Manche der Nummern tauchten nur einmal auf. Er beschloss, aufs Geratewohl eine auszuprobieren, und holte sein eigenes Handy heraus. Eine Frau meldete sich.
»Wedgwood Restaurant.«
Fox legte auf und drehte sich zu Jude um. »Wedgwood?«, sagte er mit fragendem Blick.
Sie nickte. »Im Dezember haben wir da zu Abend gegessen.« Bei dem Gedanken daran lächelte sie.
»Nur ihr beide, oder waren die Hendrys mit von der Partie?«
»Nur wir beide; wir hatten tatsächlich auch noch ein Privatleben ohne Sandra und Ronnie.«
Das nahm Fox mit einem Brummen zur Kenntnis. Es gab eine Nummer, die zwischen Oktober und Januar elf Mal auftauchte. Fox fragte Jude, ob sie sie kenne, und als sie den Kopf schüttelte, wählte er die Nummer.
»Hallo?« Die Stimme war leise, zögerlich. Es war wieder eine Frau, aber diesmal eine, die ihm nicht unbekannt war.
»Ms. Broughton?«, fragte Fox. Es kam keine Antwort. »Hier Inspector Fox. Ich habe Sie von der Polizeiwache Leith aus mitgenommen ...« Es dauerte noch ein Weilchen, bevor sie zu sprechen begann.
»Darüber war Gordon Lovatt nicht sehr erfreut, Inspector. Hat Charlies Terminkalender seinen Bestimmungsort erreicht?«
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