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 Ein reines Gewissen

Ein reines Gewissen

Titel: Ein reines Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Fox wusste nicht, ob er ihr glauben sollte, aber was machte das schon? Als er aufstand, überragte er sie für einen Moment, dann bückte er sich, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben.
    »Warum muss es jemand Fremdes tun?«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    »Was tun?«
    »Mich anrufen«, antwortete er.
    Draußen schneite es wieder. Er saß im Auto und fragte sich, ob Vince Faulkner wohl früher Feierabend haben würde. Faulkner stammte aus Enfield, nördlich von London. Er war Arsenal-Fan und ließ kein gutes Haar am Fußball nördlich der Grenze. Damit hatte er ihre erste Unterhaltung begonnen, nachdem sie einander vorgestellt worden waren. Von dem Umzug nach Schottland war Vince nicht begeistert gewesen - »aber sie quatscht mich ja pausenlos voll«. Er hoffte, sie würde sich irgendwann langweilen und wieder mit ihm in den Süden gehen. Sie. Nur selten hatte Malcolm ihn Judes Namen benutzen hören. Sie. Meine Alte. Meine bessere Hälfte. Meine Tuss. Er trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, während er überlegte, wie er am besten vorgehen sollte. Faulkner konnte auf jeder der drei oder vier Dutzend Baustellen im Stadtgebiet arbeiten. Wegen der Rezession hatte man den Bau der neuen Wohnungen in Granton sicher erst einmal auf Eis gelegt, und er schätzte, dass das für Quartermile ebenso zutraf. In Caltongate hatten sie noch gar nicht angefangen; wie die Lokalzeitung gemeldet hatte, steckte der Bauunternehmer in Schwierigkeiten.
    »Aussichtsloses Unterfangen«, sagte er sich. Sein Handy vibrierte, das Zeichen für eine empfangene SMS. Sie kam von Tony Kaye.
    S. im Minters.
    Es war schon nach vier. Offensichtlich hatte McEwan seinen Arbeitstag beendet, sodass die anderen keinen Grund sahen, noch länger dazubleiben. Fox klappte sein Handy zu und drehte den Schlüssel im Zündschloss um. Minter's war ein Lokal in der New Town mit den Preisen der Old Town, es lag so versteckt, dass nur Kenner es finden konnten. Immer gab es ein Parkplatzproblem, aber er wusste, wie Kaye es vermutlich gelöst hatte: mit einem riesigen POLIZEI-Schild hinter der Windschutzscheibe. Manchmal funktionierte das, manchmal aber auch nicht, je nach Laune des Parkwächters. Fox versuchte vergeblich, sich einen Weg zurück ins Stadtzentrum zu überlegen, auf dem er die Straßenbahnarbeiten am Haymarket umgehen könnte, gab dann aber auf. Einer, der das lösen könnte, hätte den Nobelpreis verdient. Bevor er losfuhr, wandte er den Blick nach rechts, aber am Wohnzimmerfenster war nichts von Jude zu sehen, und in den Nachbarhäusern immer noch keine Spur von Leben. Was würde er tun, wenn Vince Faulkner jetzt in die Straße einböge? Er konnte sich nicht erinnern, wie der Typ aus Der Pate hieß, der seinen Schwager jagte und ihm mit einem Mülltonnendeckel eins überzog.
    Sonny? Hieß er nicht Sonny? Die Vorstellung gefiel ihm. Mülltonnendeckel trifft Gesicht. Rühr mir bloß meine Schwester nicht mehr an!
    Die Vorstellung gefiel ihm wirklich.
     
    Im Minter's war es ruhig. Allerdings schon seit mehreren Jahren, wofür der Wirt erst das Rauchverbot verantwortlich gemacht hatte, mittlerweile murmelte er etwas von Wirtschaftskrise. Vielleicht hatte er aber gar nicht unrecht: In der New Town wohnten viele Banker, und die waren gut beraten, wenn sie sich jetzt eher im Hintergrund hielten.
    »Wer außer einem Banker«, sagte Tony Kaye, während er Fox' Glas mit eisgekühlter Cola auf den Tisch in der Ecke stellte, »kann sich schon ein Haus in dieser Gegend leisten?«
    Naysmith trank Lager, Kaye Guinness. Der Wirt, der die Ärmel hochgekrempelt hatte, konzentrierte sich ganz auf eine Quizsendung im Fernsehen. Zwei weitere Gäste waren zum Rauchen vor die Tür gegangen. In einer anderen Ecke saßen zwei Frauen. Kaye hatte einer von ihnen einen Brandy mit Soda gebracht und anschließend Fox und Naysmith erklärt, er sei mit ihr befreundet.
    »Weiß die Dame davon?«, hatte Joe Naysmith gefragt.
    Kaye hatte ihm mit dem Finger gedroht und ihn dann auf die Frau gerichtet. »Sie heißt Margaret Sime, und wenn ihr je ohne mich hier seid, tut ihr gut daran, ihr einen auszugeben, sonst...«
    »Hast du einen Parkplatz bekommen, Foxy?«, fragte Naysmith.
    »Ein ganzes Stück den verdammten Berg rauf«, beschwerte sich Fox. Dann, an Kaye gewandt: »Wie ich sehe, hattest du keine Probleme.« Kayes Nissan X-Trail stand vor der Tür des Pubs auf einer doppelten gelben Linie, das POLIZEI-Schild zwischen Armaturenbrett und Windschutzscheibe geklemmt.

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