Ein reines Gewissen
wurden gerade die Fundamente gelegt. Überdimensionierte, am Baustellenzaun befestigte Werbetafeln zeigten, wie die »Stadt in der Stadt am Meer« nach ihrer Fertigstellung in etwa aussehen würde. In Großbuchstaben gedruckte Schlagwörter wie BEHAGLICH und HOCHWERTIG und GERÄUMIG wehten in den blau gemalten Himmel hinein, unter dem der Künstler lächelnde, entspannt flanierende Menschen dargestellt hatte; an Tischen vor einem Café saßen andere strahlende Menschen mit ihren Espressos und Cappuccinos. Das war LIFESTYLE; gegenwärtig sah es hier jedoch noch etwas anders aus. Die Bewohner des Salamander Point lebten mitten auf einer Baustelle, die Fox an ein Schlachtfeld im Ersten Weltkrieg erinnerte: überall Schlamm und Erdaushub, Lärm und Dieselabgase. Eine Ecke der Baustelle hatte man in ein Feldlager für Bauarbeiter verwandelt. Zehn oder zwölf Baucontainer waren jeweils doppelt übereinandergestapelt und auf der Vorderseite mit Gerüsten und Leitern versehen worden. Männer mit Warnwesten und gelben Stahlhelmen beugten sich über Pläne und deuteten mit den Fingern hierhin und dorthin. Bagger gruben Löcher, Kräne bugsierten Rohre und Betonplatten an die vorgesehenen Stellen. Das einzige Stück fertiger Gehweg führte zur Tür eines provisorischen Verkaufsbüros. Hinter den Fenstern konnte Fox eine junge Frau an ihrem Schreibtisch sitzen sehen. Sie hatte keine Kundschaft und schien auch nicht zu telefonieren. Ihre ausdruckslose Miene verriet ihm, dass das vermutlich ihr Alltag war. Niemand kaufte.
Gleich würde er den Weg hinaufgehen, und sein Anblick würde für einen Moment ihre Stimmung heben, sie jedoch gleich darauf wieder drücken, wenn er sich vorstellte und erklärte, er würde gerne den Vorarbeiter sprechen. Zuerst schloss er jedoch sein Auto ab, das er am Straßenrand geparkt hatte. Ein Lastwagen rumpelte vorbei und wirbelte eine kleine Staubwolke auf. Fox hielt sich die Hände vor Augen und Mund, bis alles sich wieder gelegt hatte, und lief dann Richtung Verkaufsbüro. Als sein Handy zu klingeln begann, ging er dran.
»Fox«, meldete er sich.
»Wollen Sie mir etwas sagen, Malcolm?« Es war Brecks Stimme.
»Wie meinen Sie das, Jamie?«
»Schauen Sie mal nach links, drüben bei den Baucontainern.«
Das Handy noch am Ohr, drehte Fox den Kopf, wohl wissend, was er sehen würde. Breck stand auf dem Gerüst. Er trug, ebenso wie der Mann neben ihm, einen Schutzhelm. Breck winkte und sprach in sein Handy. Den Bruchteil einer Sekunde später erreichten seine Worte Fox.
»Dann kommen Sie doch mal rüber ...«
Fox warf der Verkäuferin einen kurzen Blick zu. Sie hatte sich von ihrem Schreibtisch erhoben, bereit, ihn willkommen zu heißen. Er zuckte die Achseln und schenkte ihr ein verlegenes Lächeln, bevor er sich über das tückische Gelände auf den Weg zum Baubüro machte. Oben auf dem Gerüst wurde er von Breck mit Howard Bailey, dem Baustellenleiter, bekannt gemacht.
»Das gehört alles in Mr. Baileys Zuständigkeitsbereich«, erklärte Breck, während er mit ausgestrecktem Arm über das ganze Gelände fuhr. An Bailey gewandt, sagte er: »Würden Sie mich bitte eine Minute mit meinem Kollegen allein lassen?«
»Ich muss ihm sowieso einen Stahlhelm holen.«
»Er wird nicht bleiben.«
Bailey nickte und steuerte auf die Tür am anderen Ende der Plattform zu. Breck steckte die Hände in die Taschen und starrte Fox an.
»Hatten Sie jetzt genug Zeit, sich eine plausible Geschichte einfallen zu lassen?«, fragte er.
»Sie wissen, warum ich hier bin - aus demselben Grund wie Sie.«
»Nicht ganz, Malcolm. Ich bin hier, weil ich zum Ermittlerteam gehöre. Sie dagegen, weil Sie unbedingt mitmischen wollen.«
»Ich hatte gehofft, ein Wörtchen mit Vince' Freund Ronnie reden zu können.« »Soso, Ronnie Hendry, Vince'Vorarbeiter. Mr. Bailey hat mir eben erzählt, die beiden seien Freunde gewesen - und zwar nicht nur auf der Baustelle.« »Werden Sie mit ihm sprechen?«
Breck nickte langsam. »Und ihm genau die Fragen stellen, die Sie vermutlich auch im Kopf haben.« Nach kurzem Zögern stieß Breck einen Seufzer aus und senkte den Blick auf seine schlammigen Schuhe. »Was, wenn nun Billy Giles an meiner Stelle hier gewartet hätte? Er hätte sicher Meldung erstattet, was Ihren Chef vermutlich nicht gerade begeistert hätte.«
»Meine Schwester hat ihren Lebensgefährten verloren. Ich möchte lediglich ein paar Worte mit dessen bestem Freund reden. Vielleicht, um die Beerdigungsformalitäten zu
Weitere Kostenlose Bücher