Ein reines Gewissen
hatte ihn plötzlich dazu veranlasst, dem Ganzen ein ordentliches Ende zu setzen. Kein geplanter Selbstmord, sondern völlig spontan.
Von der Familie hatte es außer durch Gordon Lovatt keine Stellungnahme gegeben. Fox starrte Joanna Broughtons Foto an.
»Und du hast als Erstes Kontakt zu den Medien aufgenommen«, sagte er zu ihr, »bevor du irgendjemand anders eingeweiht hast.«
War das Kälte? Berechnung? Oder nur das kluge Vorgehen einer klugen Frau? Fox starrte eine ganze Weile auf das Bild, kam aber zu keinem Schluss. Er machte eine Pause, streckte sich und lockerte die Schultern. Sein Blick fiel auf den mit Büchern übersäten Couchtisch im Wohnzimmer. Auf dem Boden vor den leergeräumten Regalen lagen noch mehr. Staub hing in der Luft. Bis jetzt hatte er nur etwa ein halbes Dutzend Titel gefunden, für die er keine Verwendung mehr zu haben glaubte; ungleich größer war die Zahl derer, die er noch einmal lesen wollte. Als das Telefon klingelte, musste er erst nach dem zwischen Buchstapeln versteckten Handapparat suchen.
»Malcolm Fox«, meldete er sich.
Es war Lauder Lodge. Mitch lasse fragen, ob Malcolm ihn heute oder morgen besuchen würde. Er wolle ihn gerne sehen. Fox wollte schon Sonntag vorschlagen, als ihm das Mittagessen mit Annie Inglis wieder einfiel. Nach einem flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr bat er die Anruferin, seinem Vater auszurichten, er sei auf dem Weg.
Er nahm die Stadtumgehung bis zum Kreisverkehr Sheriffhall, fuhr durch Niddrie und erreichte nach weniger als zwanzig Minuten das Pflegeheim. Mitch saß ausgehfertig in Mantel, Schal und Hut in der Eingangshalle.
»Ich möchte gerne mal an die Luft«, empfing er seinen Sohn.
»Gut«, willigte Fox ein. »Ich kann das Auto holen.«
»Ganz unbrauchbar sind meine Beine noch nicht.« Und so gingen sie zu Fuß um das Haus herum zu Malcolms Auto. Er musste seinem Vater beim Anlegen des Sicherheitsgurts helfen, bevor sie sich auf den kurzen Weg nach Portobello machten, wo sie in einer Seitenstraße zur Promenade parkten.
»Wir hätten Mrs. Sanderson einladen sollen.«
»Audrey verbringt den Tag im Bett«, erklärte Mitch. »Sie kämpft mit einer Erkältung.« Und während Malcolm ihn abschnallte: »Ich habe die vom Heim gebeten, Jude für mich anzurufen, aber es hat sich niemand gemeldet.«
»Sie bekommt gerade eine Menge Anrufe von Journalisten. Vielleicht war sie aber auch nebenan bei einer Nachbarin.«
»Wie geht es ihr?«
»Einigermaßen.«
»Seid ihr dem Kerl auf der Spur, der es getan hat?« »Das ist nicht mein Fall, Dad.«
»Ich hoffe aber doch, dass du ihn trotzdem im Auge behalten kannst.«
Fox nickte langsam. »Ich glaube nicht, dass sie viel weitergekommen sind ...«
Die Sonne schien, und auf der Promenade war einiges los. Unten am Strand liefen Kinder und Leute mit Hunden. Eltern lotsten ihren Inlineskater fahrenden Nachwuchs den betonierten Fußweg entlang. Ein scharfer Wind peitschte über den Firth of Forth. Fox fragte sich, ob man Charlie Brogans Boot von hier aus hatte sehen können. Zeitungsberichten zufolge hatte es in North Queensferry gelegen, was bedeutete, dass die Fife Constabulary mit der Lothian and Borders Police um die Zuständigkeit rangelte. Die jeweiligen Chief Constables würden das regeln, wobei Edinburgh die besseren Karten hatte, sosehr es den Polizeibeamten von Fife auch gefallen würde, für ein paar Tage oder Wochen in die Hauptstadt versetzt zu werden.
»Woran denkst du?«, fragte Mitch. Sie standen an der Ufermauer und betrachteten die Szenerie.
»Wochenenden sind nicht zum Nachdenken da«, erklärte Malcolm.
»Das heißt, deine Gedanken waren bei der Arbeit.« Das konnte Fox nicht leugnen. »Es war nicht ganz einfach in der letzten Zeit«, gab er zu.
»Du brauchst Urlaub.«
»Ich hatte an Weihnachten eine ordentliche Pause.«
»Und was hast du da gemacht? Ich meine richtigen Urlaub mit Sonnenschein und einem Hotel mit Swimmingpool und Mahlzeiten auf der Terrasse.« Mitch Fox zögerte. »Du könntest dir das ohne weiteres leisten, wenn die Kosten für mich nicht wären.«
Fox schaute seinen Vater an. »Lauder Lodge war ein Geschenk des Himmels, Dad. Mir tut es um keinen Penny leid.«
»Ich wette, deine Schwester steuert nichts bei.«
»Das braucht sie nicht - ich kann es mir leisten.«
»Aber du musst dein Geld zusammenhalten, stimmt's? Ich weiß verdammt gut, wie viel mein Zimmer kostet, und ich kann mir vorstellen, was du verdienst ...«
Fox lachte kurz auf, sagte aber
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