Ein reines Gewissen
wen?«
»Gilchrist.«
Fox starrte ihn an. »Gilchrist aus dem Chop Shop?«
Kaye nickte langsam. »Jetzt habe ich den im einen Ohr und Naysmith im anderen, und sie wetteifern darum, wer der größte Langweiler ist. Du weißt, was das bedeutet ...«
»Was?«
»Du musst dafür sorgen, dass deine Suspendierung schleunigst aufgehoben wird, bevor ich Amok laufe.«
Fox brachte ein müdes Lächeln zustande. »Danke für das Vertrauensvotum.«
»Ich denke nur an mich, Foxy.« Sie saßen schweigend da und starrten zur Windschutzscheibe hinaus. Nach einer Weile stieß Kaye einen tiefen Seufzer aus. »Wirst du zurechtkommen?«, fragte er.
»Keine Ahnung.«
»Kann ich irgendwas für dich tun?«
»Sperr die Ohren auf. Ruf mich einmal am Tag an, damit ich weiß, was läuft.« Er zögerte. »Wessen Idee war es, Gilchrist dazuzunehmen?«
»Bestimmt hat Naysmith ein gutes Wort eingelegt ...«
»Soweit ich mitbekommen habe, ist der Chop Shop doch so schon unterbesetzt. Ohne Gilchrist bleibt nur noch Inglis übrig.«
Kaye zuckte die Achseln. »Nicht dein Problem, Foxy.« Er machte die Autotür auf. »Später im Minter's? Es ist Freitagabend, denk dran ...«
»Ich bezweifle, dass mir der Sinn danach steht.«
Kaye war schon halb ausgestiegen, als er innehielt und den Kopf noch einmal hereinsteckte. »Übrigens soll ich dich von Joe daran erinnern, dass du mit der Kaffeekasse drei Wochen im Rückstand bist.«
»Bestell ihm, dass die Schulden auf den Neuen übergehen.«
»Mir gefällt Ihr Stil, Inspector Fox«, sagte Kaye grinsend. »Gefiel mir schon immer ...«
Statt direkt nach Hause zu fahren, hielt Fox vor Judes Haus. Es gab keine Anzeichen von Aktivität, keine Lieferwagen oder Polizeibeamte. Nachdem er geklingelt hatte, hörte er sie von hinter der Tür rufen.
»Wer ist da?«
»Dein Bruder.«
Sie öffnete und ließ ihn herein. »Hast wohl Besuch von Reportern gehabt?«, mutmaßte er.
»Sie wollten wissen, warum deine Leute meinen Garten umgegraben haben.« Jude ließ sich von ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange geben und führte ihn ins Wohnzimmer. Sie hatte geraucht: Im Aschenbecher glimmte noch ein Zigarettenstummel. Es gab jedoch keinen Hinweis darauf, dass sie getrunken hatte, mit Ausnahme von Kaffee: Auf der Frühstücksbar stand neben Wasserkessel, Tasse und Löffel ein noch volles Glas Instantpulver.
»Willst du einen?«, fragte sie, doch er schüttelte den Kopf.
»Dein Gips sieht anders aus«, bemerkte er.
Sie hob den Arm ein bisschen. »Brandneu von heute Mittag. Nicht ganz so sperrig, und als sie den alten abgenommen hatten, konnte ich mich wenigstens mal richtig kratzen.«
Darüber musste er lächeln. »Hattest du nicht mal den anderen Arm gebrochen?«
»Handgelenk«, berichtigte sie ihn. »Hab mich schon gefragt, ob du dich wohl erinnerst.«
»Mum hat mich mitgenommen, als du im Krankenhaus den Gips abbekamst.«
Jude nickte eifrig. Sie hatte sich wieder in ihren Lieblingssessel gesetzt und schickte sich gerade an, die nächste Zigarette anzuzünden.
»Du hast eben erst eine ausgemacht«, mahnte Fox. »Das heißt, es ist Zeit für eine neue. Hast du nicht auch mal geraucht?«
»Seit der Schule nicht mehr.« Er ließ sich ihr gegenüber auf dem Sofa nieder. Der Fernseher lief ohne Ton, offenbar ein Naturdokumentarfilm .
»Scheint ewig her zu sein«, sagte Jude.
»Es ist ewig her.«
Sie nickte und wurde ernst; da wusste Fox, dass sie an Vince dachte. »Sie können mir immer noch nicht sagen, wann sie die Leiche freigeben«, sagte sie halblaut.
»Ich habe über etwas nachgedacht«, begann Fox, den Oberkörper leicht vorgebeugt. »Hast du mir eigentlich je erzählt, wie ihr beide euch kennengelernt habt?«
Sie starrte ihn an. »Ich hätte nicht gedacht, dass dich das interessieren würde.«
»Jetzt interessiert es mich.«
Die Augen gegen den Rauch zusammengekniffen, zog Jude an ihrer Zigarette. Sie hatte sich in dem Sessel so gedreht, dass ihre Beine über eine der Armlehnen hingen. Fox wurde wieder bewusst, dass seine Schwester eine gute Figur hatte. Die eng anliegende Jeans, die sie trug, zeichnete die Umrisse ihrer schlanken Schenkel und Hüften nach. Um die Taille die allerersten Anfänge eines Speckröllchens. Anscheinend kein BH unter dem T-Shirt, dessen Ärmel so weit waren, dass sie flüchtige Blicke auf den seitlichen Brustansatz gestatteten. In der Schule war sie gut gewesen, fast eine Streberin. Die Rebellin in ihr war erst später zum Vorschein gekommen, mit ihrem
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