Ein reizvolles Angebot
gestellt werden mussten, auch wenn die Antworten schmerzten. Auf dem Flur hielt sie inne, um sich einen Moment lang zu sammeln. Um sie herum herrschte eine bedrückende Stille. Sie konnte die Leere des Hauses spüren. Rand war nicht da; das wusste sie schon, bevor sie bei ihm anklopfte und niemand antwortete.
Trotzdem öffnete sie die Tür und schaute ins Zimmer. Das Bett war gemacht. Es lagen keine Kleidungsstücke herum. Im ganzen Raum war nichts zu sehen, was ihm gehörte. Einzig ein schwacher Hauch von seinem Aftershave deutete darauf hin, dass er hier gewesen war.
Tara war erleichtert und frustriert zugleich. Erleichtert, weil sie für den Moment um ein wahrscheinlich ziemlich unerquickliches Gespräch herumgekommen war, frustriert, weil sie dieses Gespräch nun im Büro würde führen müssen, nicht gerade der ideale Ort für eine Aussprache.
Sie verließ Rands Zimmer und ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Dort fand sie ihr schwarzes Cocktailkleid über der Lehne ihres Schaukelstuhls. Das konnte nur Rand gewesen sein. Sie war an diesem Morgen noch nicht unten gewesen und hatte es am Vortag ganz sicher nicht vom Boden aufgehoben.
Die Küche bot dasselbe Bild wie sein Zimmer. Sorgfältig waren alle Spuren seiner Anwesenheit beseitigt worden: kein benutzter Teller, der Kaffeebecher stand abgewaschen an seinem Platz, nicht einmal ein Brotkrümel. Wenn sie nicht noch diese deutliche körperliche Erinnerung an die vergangene Nacht gehabt hätte, hätte ihr der Gedanke kommen können, dass sie das Wiedersehen mit Rand und alles, was darauf gefolgt war, nur geträumt hatte.
Tara musste sich zwingen, wenigstens einen Joghurt zu essen und ein Glas Saft zu trinken. Die Begegnung mit Rand im Büro lag ihr jetzt schon im Magen. Aber sie musste herausfinden, was los war. Und sie musste es künftig klüger anstellen.
Auf der Fahrt zum Kincaid-Tower, dem dreißigstöckigen Bürohochhaus, von dem man Miamis Hafen und die Biscayne Bay überblicken konnte, hatte Tara Zeit, darüber nachzudenken, was sie falsch gemacht hatte, und als sie schließlich auf dem für sie reservierten Platz in der Tiefgarage ihren Wagen parkte, war sie mit den Nerven am Ende. Der gläserne Fahrstuhl an der Außenfront des Gebäudes beförderte sie ins oberste Geschoss. Nicht einmal der malerische Ausblick auf das türkisblaue Hafenbecken und die weißen Boote konnte sie ablenken. Ihr Büro war dasselbe, in dem sie gesessen hatte, als sie noch für Everett arbeitete. Durch die offene Tür hörte sie aus Rands Büro nebenan das Klicken der Computertastatur und das Rascheln von Papier. Taras Puls beschleunigte sich. Rasch verstaute sie ihre Handtasche in der untersten Schreibtischschublade, holte einmal tief Luft und ging in Rands Büro hinüber.
„Acht Linien fahren unter unserer Flagge“, sagte Rand, ohne von seinem Laptop aufzublicken, als sie hereinkam. „Alle sind profitabel. Nur die Rendezvous Line macht Verluste. Seltsam. Das muss ich mir selbst einmal ansehen. Besorge uns bitte für die nächste Vier-Tage-Kreuzfahrt eine Außenkabine bei Rendezvous. Es muss doch einen Grund dafür geben, dass ausgerechnet auf dieser Linie die Auslastung rückläufig ist.“
Nach den hochgekrempelten Hemdsärmeln und den beiden Pappbechern mit Kaffeeresten auf seinem Schreibtisch zu urteilen, war er schon länger hier. „Du meinst, für uns beide?“, fragte Tara erstaunt nach.
Er hob den Kopf und sah sie mit seinen braunen Augen an. Keine Regung verriet, wie nah sie sich vor einigen Stunden noch gewesen waren. Tara fragte sich, ob er diese Nacht schon abgehakt hatte.
„Ja, für uns“, sagte er dann. „Diese Kreuzfahrten sind normalerweise auf Paare zugeschnittene Romantikausflüge. Aber ich möchte gern inkognito mitreisen und nicht als Reederei-Chef. Ich will ein unverfälschtes Bild bekommen.“
Eine romantische Kreuzfahrt mit Rand – normalerweise wäre das ein Traum gewesen. Rands Ankündigung klang jedoch so trocken und teilnahmslos, dass sie jede Hoffnung im Keim erstickte. Wieder spürte Tara diese Mauer, die zwischen ihnen stand.
„Vielleicht ist es in dem Fall besser, ich buche die Reise über ein ganz normales Reisebüro auf meinen Namen“, schlug Tara vor.
Rand nickte zustimmend. „Gute Idee. Wenn du die Termine hast, sag mir bitte Bescheid.“ Damit widmete er sich wieder dem Laptop.
Tara zögerte, dann gab sie sich einen Ruck. Sie musste jetzt mit ihm reden, bevor die anderen ins Büro kamen. Verlegen verschränkte sie
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