Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
aber abends viel ruhiger. Praktisch jedes Haus hatte seine eigene Auffahrt, doch über Nacht säumten Autos benachbarter Straßen die Bordsteine. Niemand hatte Rebus je die geringste Beachtung geschenkt. Tatsächlich hatte ein Hundebesitzer angefangen, ihn für einen Anwohner zu halten, und nickte ihm lächelnd zu oder grüßte ihn sogar. Der Hund war klein und drahtig und sah weniger vertrauensselig aus; und das eine Mal, als Rebus sich hingehockt hatte, um ihn zu streicheln, hatte er sich von ihm abgewandt.
Das war ein seltenes Vorkommnis gewesen. Meist blieb er im Auto sitzen, die Hände am Lenkrad, das Fenster heruntergekurbelt und eine Zigarette zwischen den Lippen. Manchmal lief das Radio. Er beobachtete das Haus nicht richtig, aber er wusste, wer darin wohnte. Wusste auch, dass im rückwärtigen Garten eine Remise stand und darin der Bodyguard wohnte. Einmal hatte ein Wagen im Tor zur Einfahrt gehalten. Der Bodyguard saß vorn, aber es war das hintere Fenster gewesen, das lautlos herunterglitt, damit der Passagier einen besseren Blick auf Rebus hatte. Der Blick war eine Mischung aus Verachtung, Ärger und vielleicht sogar Mitleid – obwohl Letzteres nur aufgesetzt gewesen sein konnte.
Rebus bezweifelte, dass Big Ger Cafferty, seit er erwachsen war, je einem anderen Menschen eine Empfindung wie Mitleid entgegengebracht hatte.
Fünfter Tag
Dienstag, 21. November 2006
16
Die Luft glühte noch, der Brandgeruch war fast unerträglich. Siobhan Clarke hielt sich ein Taschentuch vor Mund und Nase. Rebus trat seine Frühstückszigarette aus.
»Verdammte Scheiße«, war alles, was ihm einfiel.
Todd Goodyear hatte als Erster von der Sache gehört und Clarke angerufen, die schon die halbe Strecke zur Brandstelle gefahren war, bevor sie beschlossen hatte, Rebus zu benachrichtigen. Jetzt standen sie auf einer Straße in Joppa, während die Feuerwehrleute die ausgepumpten Schläuche wieder aufrollten. Charles Riordans Haus war restlos ausgebrannt, das Dach eingestürzt.
»Können wir schon rein?, fragte Clarke einen Feuerwehrmann.
»Warum die Eile?«
»Ich frag ja bloß.«
»Reden Sie mit dem Chef …«
Einige Feuerwehrleute schwitzten, rieben sich mit rußverschmierten Händen die Stirn. Sie hatten ihre Atemgeräte abgenommen. Sie unterhielten sich miteinander wie eine Straßengang nach einer Schlägerei, diskutierten ihre jeweiligen Leistungen während der Aktion. Eine Nachbarin hatte sie mit Wasser und Obstsaft versorgt. Andere Nachbarn standen in ihren Hauseingängen oder Vorgärten, während hinzugekommene Schaulustige miteinander flüsterten. Die Sache fiel in die Zuständigkeit der Abteilung D, und zwei Zivile vom CID Leith hatten Clarke schon gefragt, wieso sich Gayfield Square dafür interessiere.
»Zeuge in einem laufenden Verfahren«, hatte sie lediglich geantwortet: kein Grund, mehr als unbedingt nötig zu verraten. Die Zivilen waren nicht allzu glücklich gewesen und hielten jetzt Abstand, Handys an den Ohren.
»Glauben Sie, er war zu Hause?«, fragte Rebus Clarke.
Sie zuckte die Achseln. »Erinnern Sie sich, worüber wir gestern Abend geredet haben?«
»Sie meinen, worüber wir uns gestritten haben? Ich würde zu viel in Todorows Tod hineinlesen?«
»Ist ja gut, ist ja gut.«
Rebus beschloss, den Advocatus Diaboli zu spielen. »Könnte natürlich ein Unfall sein. Und hey, vielleicht finden wir ihn gesund und munter in seinem Studio vor.«
»Ich hab da angerufen – bislang nimmt keiner ab.« Sie nickte in Richtung des TVR, der am Bordstein parkte. »Die Frau zwei Türen weiter meint, das wär sein Auto. Er hat es letzte Nacht hier geparkt – sie weiß, dass er es war, weil die Karre so einen Lärm macht.« Die Windschutzscheibe des TVR war von Asche bedeckt. Rebus beobachtete zwei weitere Feuerwehrleute, die auf dem Weg in das zerstörte Haus vorsichtig über ein paar Balken stiegen. Im Flur konnte man noch ein paar Regale sehen, aber die meisten waren verbrannt.
»Brandermittler unterwegs?«, fragte Rebus.
»Brandermittler in«, korrigierte ihn Clarke.
»Der unaufhaltsame Fortschritt …« Rettungssanitäter befanden sich auch vor Ort, aber sie sahen jetzt auf ihre Uhren, offenbar nicht bereit, viel mehr Zeit zu investieren. Todd Goodyear kam mit federnden Schritten anmarschiert, diesmal nicht in Uniform, sondern in einem Anzug. Er nickte Rebus zu und begann, in seinem Notizbuch zurückzublättern.
»Wie viele von den Dingern verbrauchen Sie denn so pro Monat?«, konnte sich Rebus
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