Ein Ring aus Asche
habe, dass das komplett sinnlos ist, weil die Menschen ihren Seelenzustand ja für gewöhnlich kennen. Wenn er gut ist, bringen sie ihn zum Ausdruck, und wenn er schlecht ist, würden sie doch nie im Leben den Zauber praktizieren und ihn vor allen anderen zur Schau stellen.«
»M hm«, sagte ich. »U nd du meinst, dass du das jetzt mit mir ausprobieren willst? Nan hat gesagt, wir sollten nicht…«
»N an hat gesagt, wir sollen die Finger von der Zwillings-Magie lassen«, unterbrach mich Clio, während sie aufstand und ins Arbeitszimmer lief. »A ber das hier wäre ja eher der Diagnose dienlich. Abgesehen davon werden wir ihn draußen ausführen, sodass wir nicht wieder gegen eine Wand geschleudert werden. Dein Auge sieht endlich besser aus… Das wollen wir ja bestimmt nicht noch mal machen.«
7
Draußen im Hintergarten schaffte Clio ein wenig Platz auf dem backsteinernen Weg, der sich ähnlich wie bei Racey durch das Buschwerk schlängelte. Auf beiden Seiten des Gartens befand sich ein hölzerner, knapp zwei Meter hoher Zaun und auf der Hinterseite eine Backsteinmauer.
Clio hatte fast eine halbe Stunde gebraucht, um den Zauber zu finden und alles zusammenzutragen, was wir dafür benötigten. Jetzt stellte sie eine Schüssel aus Messing bereit, die ungefähr so groß war wie eine Honigmelone, und entfachte ein kleines Feuer darin. Ich machte mir Sorgen, dass Petra nach Hause kommen und ärgerlich werden könnte, doch bislang war sie nicht eingetrudelt. Clio erklärte mir, dass es für Petra nicht ungewöhnlich war, eine Mahlzeit auszulassen, wenn sie eine Geburt begleitete.
Clio streute einen Salzkreis um uns herum, dann griff sie sich ein Stück abgebrochenen Ziegelstein aus rotem Lehm und malte damit verschiedene Symbole um uns herum auf den Weg. »D ies hier ist épine «, sagte sie, während sie eine senkrechte Linie mit einem Dreieck auf einer Seite zeichnete. »E s soll uns dabei helfen, unser Ziel zu erreichen. Und das hier ist ouine.« Sie malte etwas, das wie ein zugespitztes P aussah. »E s steht für Erfolg und Glück. Porte bringt verborgene Dinge ans Licht.«
Ich erkannte das Zeichen von dem Zauber, den wir bei Racey ausprobiert hatten.
»B ei ôte geht’s um das angestammte Geburtsrecht«, erklärte Clio weiter, während sie das Symbol auf dem Boden aufzeichnete. »E s steht für das, was du geerbt hast, wobei deine Persönlichkeit oder auch Materielles gemeint sein kann. Okay, ich glaube, wir sind so weit fertig.«
»N anu? Keine Kerzen? Kein Weihrauch? Was ist mit den vier kleinen Pokalen?«
»D ie benützen wir nicht immer«, sagte Clio und ließ sich mir gegenüber nieder. »D ieser Zauber zielt auf etwas anderes ab.«
»O kay.«
Genau wie bei den anderen Zaubersprüchen, die wir zuvor praktiziert hatten, saßen wir einander gegenüber und hielten uns zu beiden Seiten der Feuerschüssel an den Händen. Die Sonne ging gerade unter. Es war heiß und feucht.
Ich hatte Angst vor dem, was wir gleich tun würden. Ich wusste nicht, was passieren würde, und ich fürchtete das Gefühl explodierender Magie in meiner Brust vom vorigen Mal. Sogar unsere kleineren Zauber waren außer Kontrolle geraten und ziemlich gruselig gewesen. So langsam gewöhnte ich mich an den magischen Funken in mir und mochte ihn auf eine gewisse Art sogar. Aber tatsächlich etwas damit anzufangen, war viel beängstigender als alles andere. Was tat ich hier nur?
»E s wird gut gehen«, sagte Clio zuversichtlich, als könne sie meine Gedanken lesen. »A ber sag dieses Mal nichts und sing oder tu auch nichts, okay? Das werde ich erledigen.«
»O kay.« Ich versuchte, meinen Atem langsamer werden zu lassen und mich zu entspannen, aber es war schwierig. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, ehe ich endlich lockerer wurde. Ich schloss die Augen. Ich versuchte, mich der Welt zu öffnen, so wie Clio es gesagt hatte, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, wie sich das anfühlte.
Und dann erfuhr ich es. Ich fühlte, wie so etwas wie eine Quintessenz des Magischen in mir aufstieg, wie eine Pfingstrose, die in meiner Brust erblühte. Ich war glücklich, friedlich… ruhig und gleichzeitig aufgeregt. Ich war Teil vom großen Ganzen und das große Ganze war ein Teil von mir. Clio und ich waren miteinander verbunden und noch nie im Leben hatte ich mich so vollständig gefühlt. Ob das von dem Verbindungszauber kam?
Wie aus weiter Ferne hörte ich Clio mit leiser Stimme den Zauber singen. Meine Hände und Knie waren ein wenig
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