Ein Ring aus Asche
warm von dem kleinen Feuer, das wir in dem Messingtopf entfacht hatten. Clios Finger schlossen sich fester um meine und dann, einfach so, riss uns der magische Strudel mit sich fort.
Auf einen Schlag fühlte ich mich, als wäre ich in eine Achterbahn gesperrt, die ohne Rücksicht auf Verluste ein Gleis entlangraste, das ich vor mir nicht sehen konnte. Meine Augen öffneten sich, und alles, was ich sehen konnte, war Clios Gesicht, mein Gesicht, das verängstigt aussah. Sah sie meine Seele, meine Aura? Wusste sie, was mit mir nicht stimmte?
Dann erblickten wir Bilder, die vor uns aufleuchteten, wie damals, als wir die Vision von dem Sumpf gehabt hatten. Das hier war ziemlich ähnlich, nur dass ich diesmal wusste, wer die meisten der anwesenden Personen waren. Wir sahen Petra, die jünger aussah als heute, wie sie mit einem schwarzhaarigen Mann stritt. Er drehte sich um und stürmte davon, und wir sahen, dass er unser Muttermal auf der Wange trug.
Dann war da Richard, ohne Tattoos, Piercings und das ganze Gothic-Outfit, aber dafür glücklicher als jetzt, unschuldiger, und angezogen, als würde er in einem Film über die Kolonialzeit mitspielen. Er lief einem Mädchen auf einer Wiese hinterher und sie fiel lachend hin. Richard ließ sich neben ihr zu Boden fallen, und dann rollten die beiden durch das hohe Gras, küssten sich ungestüm. Ihr Haar hob sich leuchtend gegen das Muttermal auf ihrer Wange ab. Ich zog hörbar die Luft ein, als ich sie erkannte. Dieses glückliche, lachende Mädchen, so voller Leben, war das Mädchen aus unserer anderen Vision. Das, das während des Hexenzirkels bei der Geburt gestorben war. Ich sah sie noch vor mir, ihr starres graues Gesicht im strömenden Regen, während sich der Boden unter ihr dunkelrot färbte. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie fast genauso aussah wie Clio. Wie ich.
Die Szenerie vor uns verschob sich so abrupt, dass ich fast seekrank geworden wäre. Nichts von alledem hier schien etwas mit dem Zauber zu tun haben, den Clio angewandt hatte. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, warum wir es sahen. Wir erblickten eine dunkelhaarige Frau, die durch einen mondlosen Sumpf rannte. Ihr Gesicht war wunderschön und grausam, ihre Augen funkelten schwarz. Sie blickte sich um. Im nächsten Moment sahen wir sie mit dem Gesicht nach unten in dem trüben Wasser liegen. Ihre bloßen Füße waren mit Schlammspritzern übersät. Eine dunkle Silhouette ragte über ihr auf, ein Mann, der etwas in der Hand hielt. Ein Werkzeug? Eine Sense oder eine Axt? Hatte er sie getötet?
Dann wieder sahen wir, wie ein riesiger, mehrfach gezackter Blitz einen Baum in zwei Hälften spaltete. Die Hexen und Hexer des Zirkels wurden beinahe umgeworfen. Der Baum stand in Flammen, brannte lodernd. Ich konnte es zischen hören, als der Regen auf das Feuer fiel und kleine Rauchwolken aufsteigen ließ.
Das Feuer strahlte eine solche Hitze aus, dass ich es auf meinem Gesicht fühlen konnte. Es war unangenehm heiß und viel zu grell, um den Blick nicht abzuwenden. Ich wollte mich entfernen, doch Clio hielt meine Hände noch immer fest umklammert. Ich blinzelte und sah ihr von der Hitze gerötetes Gesicht und die Flammen, die um sie herumtanzten. Ihre Augen waren weit aufgerissen und blickten starr ins Leere. Aus irgendeinem Grund jagte mir das mehr Angst ein als alles andere.
»C lio!«, schrie ich und zerrte an meinen Händen, die sie in ihrem eisernen Griff gefangen hielt. »C lio!« Ich zog so heftig ich konnte, mit dem Ergebnis, dass wir beide auf die Seite fielen. Mit einem Mal lagen wir beide auf dem Boden in Clios Hintergarten. Ich hatte den Bann gebrochen. Es war Nacht, der Himmel über mir übersät mit Sternen und… aufsteigenden Funken? Ich sprang auf die Füße.
»O h mein Gott, Clio!«, schrie ich, während ich an ihr vorbeistarrte. Ich griff nach ihrer Schulter und schüttelte sie. Sie hatte sich noch nicht wieder aufgesetzt. Nun blinzelte sie zögerlich und sah mich an, als wäre ich eine Fremde.
»C lio! Steh auf! Das Haus brennt!«, brüllte ich, während ich sie so heftig schüttelte, dass nicht viel gefehlt hätte, um ihre Knochen zum Klappern zu bringen. Mit dem nächsten Atemzug schien sie zu sich zu kommen. Schnell setzte sie sich auf und sah sich um. Sie stieß ein entsetztes Keuchen aus und schlug sich die Hand vor den Mund. Sie schien nicht minder erschrocken als ich.
Dieses Mal waren wir nicht durch ein Zimmer geschleudert worden.
Wir hatten ein Feuer entfacht, das vor uns
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