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Ein Ring aus Asche

Ein Ring aus Asche

Titel: Ein Ring aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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mir ab und deutete auf den Brunnen.
    »W illst du auch?«
    »A u ja!« Mühelos stiegen wir über den niedrigen Zaun. Ich schleuderte meine Sandalen von den Füßen, den einzigen Teil meines Outfits, mit dem Clio einverstanden gewesen war. Kevin zog seine Tevas aus und führte mich an den flachen Brunnenrand.
    Sofort schossen die niedrigeren Wasserstrahlen in die Höhe und regneten auf uns hernieder. Die Menschen um uns herum spielten, lachten und taten so, als würden sie einander von oben bis unten bespritzen. Als wir ein wenig Wasser abbekamen, quietschte ich, doch Kevin lachte, fasste mich bei der Hand und entfernte sich mit mir von einer Gruppe, die ein bisschen zu wild geworden war.
    Das Wasser war beinahe kühl und wirbelte in Strudeln um meine Beine herum. »D as fühlt sich gut an«, sagte ich, während ich hindurchwatete und meine von den Scheinwerfern hell erleuchteten Füße betrachtete.
    »U nd dein Rock ist so kurz, dass du dir keine Sorgen machen musst, dass er nass wird«, sagte Kevin.
    Ich warf ihm einen raschen Blick zu und sah den freundlich-neckenden Ausdruck auf seinem Gesicht. Er schaffte es, dass ich mich unglaublich wohl fühlte, als könnte ich ihm ganz und gar vertrauen. »D as hast du also bemerkt?«, fragte ich.
    »O h ja.«
    Ich lachte, als mein Fuß plötzlich gegen irgendetwas stieß und ich beinahe das Gleichgewicht verlor. Kevin fing mich auf. Ich sah, dass ich in den Griff eines Wasserhahns gelaufen war, den man in den Grund des Brunnens eingelassen hatte.
    »D anke«, sagte ich und merkte sogleich, dass er mich nicht losgelassen hatte. Er sah mich an und diesmal lächelte er nicht. Los geht’s, dachte ich mit angehaltenem Atem. Langsam beugte Kevin den Kopf zu mir herunter und ließ mir Zeit, mich ihm zu entziehen. Doch ich tat nichts dergleichen, sondern berührte seine Lippen mit meinen und tat, wovon ich gedacht hatte, dass ich es nie mehr tun würde: Ich küsste jemand anderen als Luc.
    Kevin war ein guter Küsser, sehr viel selbstbewusster als Chad Woolcott und ohne die heftige Dringlichkeit, die von Luc ausgegangen war. Stattdessen war er angenehm und forschend, dabei aber alles andere als zaghaft. Ich erwiderte seinen Kuss und war erbärmlicherweise froh, dass Luc nichts davon mitbekam. Sofort war ich wütend über diesen Gedanken, stellte mich auf die Zehenspitzen und schlang die Arme um Kevins Hals. Es schien nicht wichtig, dass wir uns in der Öffentlichkeit befanden, wo uns jede Menge Leute sehen konnten.
    Auf einen Schlag war es, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und das Mondlicht ausgeknipst. Trotz der Scheinwerfer, die den Brunnen von oben anstrahlten, und der Lichter im Wasser schien es auf einmal, als sei die ganze Gegend in eine plötzliche Dunkelheit getaucht worden. Eine frostige Brise wehte und ich bekam Gänsehaut auf den Armen. Ich löste mich von Kevin und schaute in den Himmel. Riesige schwarze Gewitterwolken zogen über dem See auf und deckten Mond und Sterne zu.
    Ein Blitzschlag tauchte unsere Umgebung in ein gleißendes Licht, das alle Farbe verblassen und vor meinen Augen verschwimmen ließ, als ob eine überdimensional große Kamera ihr Blitzlicht abgegeben hätte.
    »W eg hier!«, rief Kevin und begann, mich aus dem Brunnen zu zerren. Überall drängten sich Menschen, um hinauszuklettern, als ein dröhnender Donner– bumm! – die Erde zum Zittern zu bringen schien. Ich eilte durch das knietiefe Wasser, doch wenige Zentimeter vor dem Brunnenrand hatte ich eine erschreckende Vision von Tod, Gefahr, Sterben. Ohne auch nur einen Moment nachzudenken, befreite ich meine Hand ruckartig aus Kevins Griff und riss die Arme in die Luft. Mit geschlossenen Augen schrie ich den stärksten Schutzzauber, den Petra mir beigebracht hatte, und hoffte, dass ich mir die Silben korrekt eingeprägt hatte. Dann schmetterte ich: »G öttin, hör mich an! Ich rufe Erde, Wasser, Feuer und Luft! Beschützt uns!«
    In der nächsten Millisekunde fuhr ein gigantischer Blitz vom Himmel, so heftig, dass sich meine Haare elektrisch aufluden und mir vom Kopf abstanden. Es roch nach Verbranntem, und dann schlug der Blitz an der Stelle ein, an der wir beide standen. Mein ganzer Körper prickelte. Um uns herum zerbarsten die Lichter des Brunnens. Glassplitter und Funken stoben in alle Richtungen. Doch Kevin und ich waren geschützt, als säßen wir in einer riesigen Blase, welche die Zeit verlangsamte und die extreme elektrische Spannung des Blitzes ableitete. Wie in Zeitlupe

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