Ein Ring aus Asche
einer Antwort streckte ich mich und legte lächelnd meine Arme um ihn. Er küsste mich. Es fühlte sich warm an, weich und wohlig. Und so standen wir einfach nur auf der Veranda und küssten uns. Lange Zeit. Dann fühlte ich, wie sich Clio der Tür näherte, und riss mich von Kevin los.
»I ch sollte besser reingehen«, sagte ich. Es hatte aufgehört zu regnen und die ganze Welt war tropfnass.
»O kay. Ich rufe dich an.« Widerstrebend ließ er mich gehen. Ich sah zu, wie er zurück in den Wagen stieg und davonfuhr.
Einen Gedanken wurde ich jedoch nicht los: Ich hatte Magie angewandt. Und es hatte funktioniert.
Kapitel 28
Endlose, qualvolle Tage
Luc wischte sich kalten Schweiß von der Stirn. Schwer atmend, als wäre er gerannt, setzte er sich auf die Fersen. Reiß dich zusammen. Vollkommene Dunkelheit umgab ihn. Er pustete die Kerze aus, die er verwendet hatte, um das Dunkel noch dichter werden zu lassen. Überall um sich herum hörte er die Geräusche der Nacht: Tiere, die nach Futter suchten oder auf der Jagd waren, summende Insekten, Rascheln, wenn Eulen durch das Blattwerk der Bäume flogen.
Gott. Thais. Diese endlosen, qualvollen Tage machten ihn buchstäblich krank. Er hatte abgenommen, konnte nicht mehr schlafen und kaum noch essen. Statt normaler Mahlzeiten hatte er nur noch getrunken– seit sie ihn aus ihrem Leben katapultiert hatte.
Er fühlte sich, als sei er bei lebendigem Leib gehäutet worden. Thais war der Balsam, der alles heilen, ihn wieder ganz werden lassen würde. Er vermisste ihr ernstes Gesicht, ihr spontanes Lachen, die Art wie sie ihn berührte. Sie war schüchtern und ein wenig verängstigt gewesen und doch hatte sie sich nie zurückgehalten. Sie hatte ihm gegeben, was er gewollt hatte, aus freien Stücken und unter Einsatz all ihrer Kräfte.
Heute Nacht hatte er sie dank seines Spähzaubers gesehen. Sie hatte am Hals dieses Jungen gehangen, ihn geküsst. Mit offenen Mündern hatten sie so gierig voneinander getrunken, dass es Luc den Magen umdrehte. Wirklich unerträglich.
Sein Herz würde noch explodieren. Wütend fegte er eine Schüssel mit Wasser zur Seite, um sie gleich darauf auf die Salzbrocken zu schmettern, die er zum Zaubern benutzt hatte. Das schwere steinerne Gefäß zermalmte sie. Zorn durchflutete ihn. Luc hob die Schüssel erneut auf und schleuderte sie wieder und wieder auf den Boden, bis sie beim dritten Mal zerbrach. Ungläubig starrte er auf die Scherben.
Das hier war sein wichtigstes Werkzeug gewesen, die Schüssel, die seine Mutter benutzt hatte, und davor deren Mutter. Sie war unfassbar alt und hatte am Rand eine Bordüre aus eingravierten Federn. Das Element seines Großvaters war Luft gewesen, das seiner Großmutter Wasser. Die Schüssel hatte die Vereinigung ihrer Kräfte symbolisiert. Er hatte sie bei jedem Zauber verwendet, beim Spähen, um sie mit Wasser zu füllen oder ein Feuer darin zu entfachen. Jetzt hatte er sie zerbrochen und sie würde nie wieder zusammengefügt werden können. Auf einer der größeren Scherben sah man eine fast vollständig intakte Feder. Er hob sie auf und hielt den kühlen Stein gegen seine Wange.
Reue dämpfte seine Wut. Er ließ den Kopf in die Hände fallen und versuchte, seinen Atem zu verlangsamen, sich zu beruhigen. Die Schüssel war für immer zerbrochen, genauso wie die Beziehung zu der einen Person, die er seit zweihundert Jahren liebte.
Seufzend zog Luc sein T-Shirt aus und lief zu dem schmalen Fluss, der sechs Meter neben seinem Haus verlief. Das kalte Wasser war klar und wies eine rötliche Färbung auf. Er tauchte sein Shirt hinein, wrang es aus und fuhr sich damit über Gesicht und Schultern. Ein unglaublich gutes Gefühl. Er stand auf, streifte sich die Jeans ab und lief nackt in den Fluss. Er war flach, das Wasser reichte ihm kaum bis zur Taille und kühlte seine erhitzte Haut. Er tauchte unter, benetzte sein Haar und strich es sich aus den Augen. Die hohen Bäume zu beiden Seiten des Flusses gaben nur einen schmalen Streifen des dunklen Himmels über ihm frei. Nachdenklich ließ sich Luc bis zu den Schultern ins Wasser sinken und betrachtete die Sterne.
Er wollte Thais. Doch keine der Zwillinge wollte ihn. Aber… stimmte das wirklich? Am Ende lief doch alles wieder auf seinen ursprünglichen Plan hinaus. Und der verlangte, dass er mit einer der beiden zusammen war. Welche, war egal. Und wenn die Sache funktionieren sollte, dann musste es bald passieren.
Kapitel 29
Thais
»Was ist los?«, fragte Clio
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