Ein Sarg für zwei
runzelte
die Stirn. »Woher weiß er, wo ich wohne? Er hat den Kurier an diese Adresse
geschickt. Woher wusste er, dass ich mich hier aufhalte?«
»Wen
interessiert das schon?«, erwiderte George.
Gute Frage.
Ob er nun
ein Mensch sein mochte oder nicht, der Rote Teufel war auf jeden Fall mein
bevorzugter Maskierter auf der ganzen Welt. Er hängte sogar Zorro ab, und da
ich ein großer Fan von Antonio Banderas war, hatte das schon etwas zu bedeuten.
»Ich liebe
den Roten Teufel!«, erklärte ich.
»Ich auch!«
George leistete mir im Vorgarten Gesellschaft, und wir feierten mit einem
kleinen Tänzchen die Hoffnung auf ein normales Leben für mich.
Das war eine
wundervolle Art, den Valentinstag zu beginnen.
17
Ich fühlte
mich so frisch und glücklich wie seit Tagen nicht mehr und machte mich in aller
Ruhe für das Haven fertig. Ich wollte besonders gut aussehen, denn schließlich
war Valentinstag. George befahl ich, ja nichts von meiner neuen Halskette zu
verraten. Ich wollte Thierry mit den fabelhaften Neuigkeiten überraschen.
Ich zog
besonders verführerische Dessous an, die ich noch nie zuvor getragen hatte,
weil ich sie mir für einen besonderen Anlass hatte aufheben wollen. Darüber
trug ich meinen hellrosa Kaschmirpullover und einen kurzen schwarzen Rock. Der
Pullover war hochgeschlossen und verdeckte die Kette, lag aber eng genug an
meinem Körper an, um das fehlende Dekolleté wettzumachen. Schwarze
Seidenstrümpfe und hochhackige Pumps perfektionierten meinen Aufzug. Ich drehte
mir sogar Lockenwickler in die Haare, um ihnen zusätzlichen Schwung zu verleihen,
und verbrachte anschließend eine gute halbe Stunde vor der Scherbe, um mich
sorgfältig zu schminken.
Manchmal
fragte ich mich, wieso Vampire kein Spiegelbild hatten. So richtig sinnvoll war
das nicht, oder? Ich bestand aus fester Materie, und ich fühlte mich auch fest
an. Ich war keineswegs durchsichtig. Doch ein normaler Spiegel zeigte weder
mich noch meine Kleidung.
Das war
irgendwie seltsam.
Allerdings
war ich im Moment zu glücklich, um allzu lange darüber nachzugrübeln.
Ich legte
meinen Viva-Glam-Lippenstift auf und lächelte mein gut aussehendes Spiegelbild
strahlend an. Meine haselnussfarbenen Augen hatte ich mit schwarzem Kajal
umrahmt und besonders viel Wimperntusche aufgetragen, so dass sie einfach alle
Blicke auf sich ziehen mussten.
Die letzten
Monate hatte ich nicht sonderlich viel Wert auf Schminke und modische Kleidung
gelegt. Es war schon komisch, wie solche Äußerlichkeiten an Bedeutung verloren,
wenn man Angst um sein Leben hatte.
Aber jetzt
merkte ich, dass ein bisschen Glamour einfach gut tat.
Das
bestätigte sogar George. Als ich schließlich in einer Wolke aus Haarspray und
Givenchy aus dem Schlafzimmer rauschte, bedachte er mich mit einem
anerkennenden Blick.
»Hallo! Wen
haben wir denn da? Miss Cosmopolitan persönlich? Ich glaube, man hat uns
einander noch nicht vorgestellt.«
»Witzig,
wirklich sehr witzig.«
»Gehen wir.
Das ist heute der letzte Abend, an dem ich noch ein bisschen Trinkgeld
einheimsen kann.«
Georges
Bemerkung erinnerte mich daran, dass ich nach wie vor nicht wusste, wie ich
nach heute Abend Geld verdienen sollte. Aber ich war fest davon überzeugt, dass
sich die Dinge mit meiner neuen optimistischen Einstellung schon fügen würden.
Ich würde
heute Abend im Haven aufkreuzen, Thierry mit meinem Aussehen angemessen
beeindrucken und ihn anschließend zwingen, mich auszuführen, um den
Valentinstag und meine neue Lebenslust zu feiern. Danach würden wir in sein
Stadthaus fahren, wo ich ihm ein paar Dinge zeigen würde, nicht zuletzt meine
brandneuen Dessous, von denen ich mir vorstellen konnte, dass sie ihm ziemlich
gut gefielen.
Was war
schon dabei, wenn ich ein Nachtwandler blieb? Solange ich meine Halskette
hatte, war die Welt doch in Ordnung. Schließlich spielten die Symptome jetzt
keine Rolle mehr. Ich konnte meine Probleme vergessen und mich ganz auf meine
Zukunft konzentrieren. Mit Thierry.
Himmel, ja.
Das würde eine fantastische Nacht werden.
Die Welt kam
mir irgendwie strahlender vor. Die Sterne waren aufgegangen, und der Mond
leuchtete hell am schwarzen Himmel. Die Abendluft fühlte sich angenehm kühl und
frisch auf meinem Gesicht an. Meine Füße taten wegen der hochhackigen Pumps
zwar höllisch weh, doch es war ein angenehmer Schmerz. Zudem einer, mit dem
ich, da ich bereits jahrelang gesundheitlich eher fragwürdige Schuhe getragen
hatte, ziemlich entspannt
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