Ein schicksalhafter Sommer
nicht.“ Erleichtert wischte sie sich mit dem Finger die Augenwinkel. „Jetzt wirst du mich nicht mehr los, weißt du? Ich liebe dich nämlich auch.“
„Damit kann ich leben“, lachte er glücklich. Er hatte die richtige Entscheidung getroffen, da war er sich ganz sicher.
Kapitel 18
Karl sah zufrieden in den Spiegel und fuhr sich noch einmal mit der Bürste durch sein dichtes Haar. So, die Koffer waren gepackt und sein Zug fuhr in wenigen Stunden ab. Sein Vater wollte ihn aus den Augen haben und wenn Karl ehrlich war, kam es ihm ganz recht, dass er von hier verschwinden konnte. Hier in diesem langweiligen Bauernkaff wurde man ja verrückt. Er musste von Sinnen gewesen sein, als er wirklich drauf und dran gewesen war, diese Bauernkuh zu heiraten. Er war nun einmal ein Stadtmensch und er hegte keinen Zweifel daran, dass sein Vater ihn auch weiterhin finanziell unterstützen würde, wenn er sich erst einmal abgeregt hatte und wieder etwas Neues fand, worüber er sich aufregen konnte.
Karl konnte es gar nicht erwarten, endlich zu verschwinden. Doch vor seiner Abreise hatte er noch etwas zu erledigen. Kalter, dieser Abschaum, hatte ihm nicht umsonst seine Kutsche sabotiert. Dass er ihm wahrscheinlich auch noch die Frau weggeschnappt hatte, wie Georg damals vermutet hatte, nagte zwar beträchtlich an Karls Stolz, aber das konnte er verschmerzen. Ja, wenn er ehrlich war, war er im Nachhinein sogar froh darüber, diesen Bauerntrampel nicht am Hals zu haben. Voller Tatendrang verließ Karl das Haus, schwang sich auf sein Fahrrad und machte sich auf den Weg zum Hof der Nessels.
Auf halbem Wege begegnete er zwei Jungen, einer davon war Katrins Bruder. Sie winkten ihm zu. „Na, Jungs“, ließ er sich herab, den Gruß zu erwidern. Als er schon an ihnen vorbei gefahren war, fiel ihm etwas ein. Er hielt an und rief über die Schulter: „Du! Nessel-Junge, komm mal her.“
Otto tat, wie ihm geheißen. „Ja, Herr Kofer?“
„Sag mal, weiß du, wo euer verdammter Knecht sich herumtreibt? Ist er auf dem Hof? Oder irgendwo auf dem Feld?“ Wenn es sich vermeiden ließe, würde er der Katrin lieber nicht begegnen.
„Der Robert treibt sich nicht herum.“ Otto mochte es gar nicht, wenn jemand seinen Freund beleidigte.
„Jetzt sei mal nicht so frech, du vorlaute Rotznase. Ich hab dich was gefragt. Jetzt gibst du mir mal ganz schnell eine gescheite Antwort.“
„Mama hat ihn ins Dorf geschickt.“
„So, hat sie das. Und wann?“ Vielleicht holte er ihn ja noch ein.
„Vorhin.“
„Was ist denn das für eine Aussage? Wie lange ist es her?“
„Keine Ahnung. Eine Weile“, sagte Otto ratlos.
Dumm war das Gör auch noch. Wortlos schwang Karl sich wieder auf sein Fahrrad und trat in die Pedale. Der Herr sei gepriesen, dass er ihn davor bewahrt hatte, sich mit der Nesselbrut zusammenzutun. Im Nachhinein konnte er seine Panik, die ihn veranlasst hatte, sich nach Vaters Drohung vor dem erstbesten Bauerntrampel, der ihm in den Sinn kam, in den Staub zu werfen, gar nicht mehr nachvollziehen. Na ja, das war ja jetzt Schnee von gestern. Jetzt musste er erst einmal dem verhassten Feldarbeiter tüchtig den Marsch blasen und dann würde er dem Kaff hier endgültig den Rücken kehren und wieder in die zivilisierte Welt zurückkehren. Doch dazu musste er den Burschen erst mal finden. Vielleicht hatte er ja Glück und holte ihn ein. Schließlich war der Knecht ja bestimmt zu Fuß unterwegs. Oder er kam ihm schon wieder entgegen. Das beschränkte Balg hatte ja kein Zeitgefühl besessen.
Karl ließ den Nessel-Hof links liegen und kam an dem Wäldchen vorbei. Der Feldweg machte einen Bogen nach rechts und als Karl um die Ecke bog, stieß er einen zufriedenen Laut aus. Hatte er Kalter doch noch erwischt. Er lungerte im Unterholz an einem kleinen Holzverschlag rum. Soviel zu seinem Pflichtbewusstsein, wo ihn die Frau des Hauses doch ins Dorf geschickt hatte. Keine Zucht und Ordnung, die Nessels. Noch nicht einmal beim Personal. „Kalter, du verdammter Hund!“, schrie Karl erbost und befriedigt sah er, wie der andere erstarrte. Doch dann ging er weiter auf die Hütte zu. Karl stieg empört vom Fahrrad und ließ es zu Boden fallen. „Kalter, bleib gefälligst stehen, ich hab dir was zu sagen, du feiger Hund.“ Karl stapfte über den feuchten Waldboden und fluchte. Der Holzverschlag lag zwar nicht sehr weit im Wald, aber das würde reichen, um Karls Schuhe zu ruinieren. Mittlerweile war dieses
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