Ein schicksalhafter Sommer
überlegte sie, wie sie ihm verständlich machen konnte, da ss die ganze verflixte Sache nicht so war, wie sie ihm erschien. Sie öffnete den Mund, doch sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Plötzlich machte er einen Bogen um den Wagen und ließ sie wortlos stehen.
„Wo gehst du hin, Robert?“ , rief Otto ihm nach. „Was hat er denn?“, fragte er dann seine Schwester.
„Das möchte ich auch wissen. So etwas hab ich ja auch noch nicht erlebt“, antwortete Karl an ihrer Stelle. „Wenn man ihn so erlebt, möchte man doch bezweifeln, dass er in einer euch untergeordneten Position beschäftigt ist. Sollte ein Arbeiter meines Vaters je so ein unhöfliches und respektloses Verhalten an den Tag legen, würde er sich am selben Tag noch nach einer anderen Stelle umsehen können, das kann ich dir versichern, meine Liebe. Wie der uns angesehen hat, das war ja beinahe unheimlich.“ Als Katrin nichts erwiderte, tätschelte er wieder ihre Hand. „Dir hat es augenscheinlich vor Empörung die Sprache verschlagen, das kann ich verstehen.“
„Karl, bring mich bitte nach Hause.“ Niedergeschlagen warf sie noch einen Blick nach hinten, aber Robert war schon um die Ecke gebogen.
„Kann ich vielleicht mitfahren?“ Otto strich bewundernd über ein Kutschrad.
„Nun, ich weiß nicht, das wird ein bisschen eng werden“, wandte Karl vorsichtig ein.
„Mir macht es nichts aus. Komm, Otto.“ Sollte sie doch noch enger an Karl gedrückt werden. Das war im Moment ihre geringste Sorge. Viel mehr beunruhigte sie der kalte Hass, den sie in Roberts Augen gelesen hatte.
Robert stapfte wutentbrannt den Feldweg entlang. Ein Ziel hatte er nicht, außer dem, seiner Wut Herr zu werden. Wie sie ihn gerade angesehen hatten! Der arrogante Wicht hatte ihn von seiner Kutsche aus gemustert, als hätte er irgendein Gewürm vor sich. Und Katrin! Saß stolz neben ihm auf dem Kutschbock und sah ebenfalls auf ihn hinunter. Und tat so, als würde sie ihn nicht kennen. Ach was, als wäre er gar nicht da! Dieses verdammte Luder. Robert sah sich um. Am liebsten hätte er auf irgendetwas eingeschlagen, aber es gab weit und breit keinen Gegenstand, an dem er seine Wut hätte auslassen können. Zornig lief er weiter. Zum Narren hatte sie ihn gehalten, um dann mit ihrem reichen, vornehmen Verehrer in dessen Kutsche spazieren zu fahren, ihm schöne Augen zu machen und mit ihm rumzuturteln. Sie hatte ihm ja praktisch auf dem Schoß gesessen, so hatten sie aneinander geklebt. Und dann hatte dieser Kerl sich auch noch an ihrem Mund zu schaffen gemacht. Robert blieb stehen und schloss einen Moment die Augen. Er musste sich unbedingt beruhigen. Das letzte Mal, als ihn ein Mädchen für dumm verkaufen wollte, war es ihr schlecht bekommen, weiß Gott. Soweit durfte er es nicht kommen lassen. Robert lief wieder los. So konnte er keinem zu nahe kommen. Nicht, ehe er wieder klar denken konnte.
Sofia trat in die Pedale und versuchte, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Der arme Georg war völlig verstört gewesen, als sie gerade ihr Fahrrad aus dem Schuppen geholt hatte. Natürlich nahm sie sich seine Argumente zu Herzen. Er war nun einmal nicht damit einverstanden, dass sie heute zu ihren Eltern fuhr, nachdem ihr Vater sie so beschimpft hatte.
Und natürlich hatte er Recht damit, dass der Mann die Hosen anhatte in der Familie und sie sich zu fügen hatte, wenn Georg das wünschte. Zumindest meistens. Aber er musste doch Verständnis dafür haben, dass sie sich überzeugen musste, dass Papa ihr nicht mehr zürnte und auch Mama nicht ihretwegen zur Schnecke gemacht worden war. Außerdem war Sofia eingefallen, dass ja Karl heute seine Ausfahrt mit Katrin gemacht hatte und sie brannte darauf, zu erfahren, wie der Tag verlaufen war. Sie war auch bereit, über Katrins damaliges unvernünftiges Verhalten hinwegzusehen. Schließlich war es ja doch noch zu einer Verabredung gekommen.
Sofia malte sich gerade vornehme Zusammenkünfte der beiden Schwestern mit ihren gut betuchten Gatten in einem hübschen Kaffeehaus aus, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Ein paar Meter neben ihr stapfte Kalter durch das Wäldchen, an dem sie gerade vorbeifuhr. Sein Gesichtsausdruck ließ sie schaudern, doch zum Glück schien er sie nicht zu bemerken. Er bückte sich, nahm sich einen Stock und schlug wutentbrannt auf einen Baum ein.
Fasziniert blieb Sofia mit ihrem Fahrrad an Ort und Stelle stehen. Beim zweiten Schlag zerbrach der Stock, und mit
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