Ein schicksalhafter Sommer
wo hast du dann immer mit deinen Freunden gespielt?“
Robert legte den Hammer weg und sammelte die restlichen Nägel ein. „Ich hatte keine Freunde, als ich in deinem Alter war.“
„Keine Freunde? Keinen Einzigen?“ , rief Otto entsetzt. „Wieso nicht?“
„Hm, gib mir mal die Werkzeugtasche.“
Otto hievte die Tasche in Roberts Richtung. „Du hattest keinen einzigen Freund? Noch nie?“ Otto konnte es nicht glauben.
„Doch, schon, als ich jünger war.“ Nachdenklich nahm Robert Otto die Tasche ab. Jetzt, wo er drüber nachdachte, fiel es ihm wieder ein. „Als ich noch bei meinen Großeltern gelebt habe, da hatte ich welche.“ Ja, damals, vor langer Zeit, bevor er auch bei seinen Großeltern Unheil angerichtet hatte. Bis er acht, neun Jahre alt gewesen war, hatte er ein fast normales Leben geführt. Mit all seinen anderen Erinnerungen hatte er auch diesen schönen Teil seiner Kindheit verdrängt.
„Siehst du, also hattest du ja doch Freunde“, rief Otto triumphierend.
„Ja, sieht ganz so aus, Otto.“ Robert trat einen Schritt zurück und sah sich noch einmal die Hütte an. Es war wirklich ein richtiges kleines Häuschen geworden. Es bot bequem ein paar Kindern Platz und sogar zwei Erwachsene würden sich leicht gebückt dort aufhalten können. Vor das Fenster konnte Otto sich ein Tuch hängen, und die Tür hatte einen Riegel bekommen. „So, Otto, wir sind fertig.“
„Ja, danke Robert.“ Otto schlang ihm ungestüm die Arme um die Taille und umarmte ihn fest. Gerührt drückte Robert den Jungen kurz an sich. „Jetzt müssen wir aber nach Hause, Otto.“
„Och, Robert, ich wollte jetzt zu Klaus, fragen ob er raus kommt.“
„Nein, es ist schon spät. Deine Mutter erzählt mir was anderes, wenn ich ohne dich nach Hause komme. Außerdem musst du was essen. Dass wir die paar Brote gegessen haben, ist ewig her. Mir jedenfalls knurrt der Magen. Also komm.“
„Na schön.“ Seufzend trottete er hinter Robert her. „Komm, Hennes.“ Gut gelaunt traten beide aus dem Wald heraus. „Du hast Recht, Robert. Mein Magen knurrt jetzt auch.“
„Ich hab dir ja gesagt, du bist am Verhungern. Du siehst auch schon ganz mager aus.“
„Ha, ha, du veräppelst mich wieder. So schnell magert man gar nicht ab. Ey, guck mal, ist das nicht die Katrin?“
Erstaunt zeigte Otto auf die kleine Kutsche, die gerade in etwa fünfzig Metern Entfernung um die Ecke bog.
„Ach was, Otto. Mit wem sollte sie denn unterwegs sein?“ Robert kniff die Augen zusammen, um die beiden Personen besser erkennen zu können. Verwundert stellte er fest, dass es wirklich Katrin war, die auf ihn zu gefahren kam.
„Na klar ist das die Katrin. Mit dem Karl Kofer. Der ist ganz reich und unheimlich vornehm und Mama hat gesagt, er will die Katrin heiraten“, teilte Otto seinem Freund hilfreich mit.
Robert knirschte wütend mit den Zähnen. Auf ihn zu kam eine lachende Katrin, die sich bestens zu amüsieren schien. Sie hatte sich zurechtgemacht, hatte ein hübsches Kleid an und ihre Haare trug sie offen. So, wie sie sie sonst nur für ihn trug. Wie gebannt beobachtete er, wie seine Katrin nur Augen für den feinen Pinkel neben sich zu haben schien.
Robert quetschte die Werkzeugtasche mit seiner Hand und wünschte, es wäre Kofers Hals. Sie war so vernarrt in diesen Kerl, sie hatte Otto und ihn noch nicht einmal bemerkt. Als dieser Wicht jetzt auch noch über ihre Lippen strich, glaubte Robert zu explodieren.
Katrin saß neben Karl in der Kutsche und hing ihren Gedanken nach. Der Ausflug war wider Erwarten ganz angenehm gewesen. Karl hatte sie mit seiner neuen Kutsche abgeholt, sie waren zum Rhein gefahren und er war ein guter Unterhalter gewesen. Seine Manieren waren wirklich tadellos. Mutter hatte Katrin erzählt, da ss Karl, wie auch ihr Schwager Georg, auf der höheren Schule gewesen war und er so viel in höheren Kreisen verkehrte und herumreiste, dass für ihn Städte wie Düsseldorf, Köln oder gar Berlin gar nichts Besonderes mehr waren.
Er wirkte wirklich sehr weltgewandt, und Katrin war froh, dass sie keine Zuneigung für ihn empfand. Denn obwohl er freundlich war und sich seine Überlegenheit nicht allzu sehr anmerken ließ, kam Katrin sich in seiner Gegenwart erst recht wie der hinterwäldlerische Bauerntrampel vor, der sie ja auch war.
Jedenfalls befanden sie sich nun auf dem Heimweg und Katrin war nicht unglücklich darüber. Sie rutschte auf ihrem Sitz ein weiteres Stück zur Seite. Sie konnte sich des
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