Ein schicksalhafter Sommer
glauben. Bah, mir ist übel, du kannst es dir gar nicht vorstellen.“
„Dann atme durch den Mund.“ Sofia verdrehte die Augen.
„Das hab ich schon versucht, das nützt nichts. Der Geruch muss durch die Poren in den Körper dringen. Die Kleidung können wir wahrscheinlich vernichten.“
„Jetzt reicht es mir bald. Man kann sich auch anstellen!“ Wütend stapfte Sofia durch den Torbogen, gefolgt von ihrem beklagenswerten Gatten. „Denk jetzt lieber daran, warum wir hier sind. Das ist wichtiger als deine Übelkeit.“
Georg antwortete nicht, dafür rief Luise, die gerade über den Hof lief, ihnen eine Begrüßung zu. „Ja was macht ihr denn schon so früh hier?“ Sie machte kehrt und kam auf sie zu. „Morgen Kinder.“
Sie gab ihrer Tochter einen Kuss und reichte Georg die Hand. „Du guckst aber krank aus den Augen, Georg, Geht es dir nicht gut?“ Stirnrunzelnd betrachtete sie ihn von oben bis unten.
„Nein, nein, Mama. Er ekelt sich nur vor dem Jauchegeruch.“
„Ach was“, Luise klopfte ihm nicht allzu sanft mit der freien Hand auf die Schulter, „das ist die gute Landluft. Nimm mal ein Näschen voll.“
Während seine Schwiegermutter lachte, fiel sein getrübter Blick auf die Schüssel, die sie in der Hand hielt. Er sah hinein, zuckte jedoch zurück, als ein kleines Auge zurückstarrte. „Ich trau mich gar nicht zu fragen, was das wohl sein mag“, brachte er schwach heraus.
Im ersten Augenblick wusste Luise nicht, wovon er sprach, doch dann folgte sie seinem Blick. „Ach“, sie sah in die Schüssel, „das ist unsere Susi, die Gute. Oder das, was von ihr übrig ist. Was hat die früher Eier gelegt! Mein lieber Mann.“
„Och, Mama. Die Susi?“ Bedauernd sah auch Sofia in die Schüssel.
„Tja, was will man machen. Hätte ich auch nicht gedacht, dass wir die mal schlachten, aber sie hat zuletzt keine Eier mehr gelegt. Da hab ich gedacht, ehe sie zäh wird…“
Georg fragte sich gerade, ob Luise sich wohl die Hände gewaschen hatte, nachdem sie das Huhn ausgenommen hatte. Angewidert überlegte er, wo er sich die rechte Hand, die sie geschüttelt hatte, wohl unauffällig abwaschen konnte, als Luise zur Seite trat. „Vorsicht, da kommt der Friedhelm.“
Das Pferd kam, geführt von dem verabscheuungswürdigen Individuum, wegen dem er diese ganze Tortur hier auf sich nehmen musste. Georg rümpfte die Nase. Konnte es möglich sein, dass der Gestank noch intensiver wurde?
Der Knecht ging mürrisch grüßend an ihnen vorüber, gefolgt von der armseligen Schindmä hre, die ein beklagenswertes Ächzen von sich gab, während sie mit durchhängendem Rücken langsam an ihnen vorübertrottete. Sie zog einen Jauchewagen hinter sich her, und Georgs Blick fiel auf die Öffnung an dem riesigen, runden Behälter. Heraus troff ein dünnes Rinnsal einer schwarzen Flüssigkeit, die eine Spur über den ganzen Hof zog. Momentan überwältigt, schloss Georg kurz die Augen. Ganz sicher würde bald der Kaiser persönlich in seinen feinen Laden spaziert kommen und ihn, Georg, für seine Tapferkeit auszeichnen. Er öffnete wieder die Augen und suchte nach einem Plätzchen, wo er all dem entfliehen konnte. Seine Hand war vergessen. Ihm war mittlerweile alles egal.
„Seid ihr schon fertig?“ , rief Luise Robert gerade zu.
„Nein, eine Fuhre müssen wir noch“ , antwortete dieser.
„Geht ihr doch schon mal rein“, richtete Luise wieder das Wort an ihre Tochter. „Ich muss eben mit Robert reden und bring das noch schnell weg“, sie hob die Schüssel an, „dann komm ich auch wieder rein. Es gibt Hühnersuppe. Da könnt ihr direkt mitessen.“
„Sehr gern, Mama.“ Sofia ging zur Haustür. Dann drehte sie sich um. „Georg, nun komm“, forderte sie ungeduldig ihren Mann auf, als dieser mitten auf dem Hof stand. „Ich will mit Katrin reden. Deswegen sind wir doch hergekommen.“
Langsam folgte Georg seiner Frau. Eins wusste er jetzt schon, er würde ganz bestimmt keine Susi essen.
„Guten Morgen zusammen“, begrüßte Sofia Oma und Katrin.
„Morgen“, riefen beide überrascht. „Und der Georg ist auch da“, bemerkte Oma, als dieser in die Küche kam.
„Ja, Oma, und dem muss ich gleich erst mal einen Tee machen. Ihm ist es nicht gut. Und dann muss ich dringend mit der Katrin reden.“
„Da bin ich ja mal gespannt.“ Katrin wischte sich die Hände an der Schürze trocken und wollte sich setzen.
„Nein, nicht hier“, sagte Sofia bestimmt.
„Hier im Haus haben wir keine
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