Ein schicksalhafter Sommer
Geheimnisse!“
„Oma, ich hab doch keine Geheimnisse. Für euch hab ich gleich auch noch eine Überraschung. Nicht wahr, Georg?“
„Was hat er denn?“ Katrin sah von Georg, der teilnahmslos am Tisch saß, zu ihrer Schwester.
„Ihm ist es nicht gut. Hab ich doch gesagt.“ Genervt zuckte Sofia die Achseln. Dass ihr Mann sich benahm wie ein Waschlappen, dafür hatte Sofia heute kein Verständnis. „Kommst du, Katrin?“
„Na gut, aber hilf mir vorher noch, das frische Rübenkraut in die Butterkammer zu tragen. Das hab ich gerade frisch gekocht.“
Sofia sah auf den großen, steinernen Krug voller Zuckerrübensirup. „Das kann doch wohl der Georg machen. Oder Georg?“ , fragte sie herausfordernd, als er sich nicht sofort erhob.
„Selbstverständlich, meine Liebe. Lasst es ruhig stehen. Ich trag es gleich hinüber, sobald ich den Tee getrunken habe.“
Sofia ging mit Katrin raus in den Garten. „Katrin, du ahnst ja nicht, was ich dir jetzt sagen werde. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
„Sofia, was kann denn nur so wichtig sein, dass du morgens früh mitsamt Ehemann hier auftauchst und bald im Dreieck springst? “
„Katrin, wir waren gestern den Karl besuchen.“
„Oh, und wie geht es ihm?“
„Wie soll es ihm schon gehen? Schlecht. Er wird wohl noch einige Zeit im Krankenhaus liegen müssen.“ Zornig dachte Sofia daran, wem er das zu verdanken hatte. „Er hat noch einmal betont, Katrin, dass es für ihn absolut unerklärlich ist, wie sich das Rad einfach so lösen konnte.“
„Ja, nun, Sofia, Unfälle passieren leider einfach so. Darum sind es ja Unfälle.“ Katrin sah sie verwundert an. „Aber das wissen wir doch schon. Das hat uns der Heinz vor Tagen schon erzählt.“
„Du weißt aber nicht, was ich am Sonntagabend gesehen habe. Und das wirft ein ganz anderes Licht auf die Sache.“
„Und das wäre?“, fragte Katrin, als ihre Schwester nicht weiter sprach.
„Du hast dich doch am Sonntag von dem Karl nach Hause bringen lassen.“
Katrin sah sie neugierig an. „Ja, habe ich. Das weißt du doch “, sagte sie bedächtig.
„Ja, das weiß ich. Ich bin nämlich nach draußen gegangen, als ihr euch auf den Weg gemacht habt.“
„Und?“
„Und da sah ich Kalter in dem Wäldchen stehen.“ Triumphierend stemmte sie die Fäuste in die Hüften.
„So ein Unsinn!“, schnaubte Katrin.
„Das ist kein Unsinn. Ich stand in der Scheunentür, als ihr euch auf den Weg gemacht habt. Ich bin ein Stück über den Hof gegangen, weil mir schwindlig war in der vollen Scheune. Georg hat mich begleitet und er hat mich noch darauf aufmerksam gemacht, dass da jemand im Dickicht steht.“
„Und das muss natürlich Robert gewesen sein.“ Katrin fragte sich allmählich, ob ihre Schwester in Bezug auf Robert noch ganz sauber tickte. „Selbst wenn da jemand gestanden haben sollte, muss es ja noch lange nicht Robert gewesen sein. Als könntest du vom beleuchteten Hof aus jemanden in dem dunklen Wäldchen genau erkennen.“
„Ich hab ihn erkannt, Katrin“, versicherte Sofia. „Wie viele Männer mit dieser Größe und dieser ungeschlachten Statur lungern denn sonst hier herum? Abgesehen davon waren alle anderen auf dem Fest.“
„Dann war es eben einer der Tagelöhner, die nach der Erntezeit hier geblieben sind und jetzt den Winter über drüben im Nachbarort in der Weidenflechterei arbeiten.“
„Und die kommen den ganzen Weg, um vom Wald aus einen Blick auf dich zu werfen und verschwinden dann wieder, ohne auf das Fest zu gehen? Träum weiter.“
Katrin nagte nachdenklich auf ihrer Unterlippe. Sie war nicht mehr ganz so überzeugt, dass sie im Recht war, als noch vor einigen Minuten. Was Sofia sagte, ergab Sinn. Vielleicht war Robert ja eifersüchtig gewesen und wollte sehen, was sie auf dem Fest so trieb. „Robert hat gesagt, er war den ganzen Abend unten am See“, verteidigte sie ihn lahm.
„Ja, wenn der Robert das sagt“, rief Sofia mit weit aufgerissenen Augen, „dann hab ich mich wohl getäuscht. Ich kann nämlich nicht erkennen, wer ein paar Meter von mir entfernt im Dickicht steht und da ss dein Schätzchen lügt, ist natürlich ausgeschlossen.“ Sofia verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf.
„Also gut, vielleicht hast du dich nicht getäuscht und Robert war wirklich auf dem Fest. Na und?“
„Na und, fragt sie! Weißt du denn nicht, was das bedeutet? Als ich den Burschen am Sonntag gesehen habe, haben Georg und ich noch darüber gesprochen,
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