Ein schöner Ort zu sterben
Kirchengelände von der Straße trennte, und sah zu, wie die Sonntagsgemeinde herausströmte. Nachdem die Akten in der Polizeistation nichts erbracht hatten, musste er etwas vorweisen können, was die Geheimpolizisten überzeugte, dass er sich hinter die Perversenspur klemmte.
Er betrachtete die Leute in der Menge. Jede Farbschattierung von frischer Milch bis zu verbranntem Zucker war vertreten. Allein auf diesem Kirchhof gab es genügend Beispiele, die belegten, dass die Vermischung der Rassen überhaupt nichts Unnatürliches an sich hatte. Eine Menge Leute kamen offensichtlich prima damit klar.
Ein Grüppchen würdiger älterer Damen mit breiten Hüften, geblümten Kleidern und Sonntagshüten stellte Töpfe mit Essen auf einen langen Tisch, der im Schatten eines großen Eukalyptusbaums stand. Männer in dunklen Anzügen und gewichsten Schuhen streunten herum und warteten auf das Zeichen zum Angriff auf das Büffet.
Am Fuß der Treppe entdeckte Emmanuel Tiny und seinen Sohn Theo in Begleitung zweier ehrbarer farbiger Damen. Er ging auf sie zu. Irgendeiner musste ihn in die Gemeinde einführen und ihn den anderen vorstellen. Ein weißer Mann, der sich am Rande einer gemischrassigen Zusammenkunft herumtrieb, verhieß nichts Gutes.
»Tiny.« Emmanuel streckte die Hand zum Gruß aus. Das Getuschel der anderen um sie herum entging ihm nicht.
»Detective.« Der Farbige war wie aus dem Ei gepellt. Nichts zeugte von den Ausschweifungen der letzten Nacht. »Das ist ja eine Überraschung. Was kann ich für Sie tun?«
Der Schnapshändler fühlte sich offensichtlich nicht wohl in seiner Haut. Statt eines Händedrucks strich er nur halbherzig an Emmanuels Hand entlang. Die Umstehenden trollten sich und gingen einstweilen auf Abstand, bis die Situation vielleicht übersichtlicher wurde.
»Tut mir leid, dass ich Sie an einem Sonntag störe, Tiny. Aber ich muss noch einmal alle Frauen befragen, die diesen Perversen bei der Polizei angezeigt haben.« Emmanuel nahm den Hut ab, eine freundliche Geste. »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir da ein wenig helfen.«
»Ahm …«, zögerte Tiny. Irgendwie kam es ihm nicht recht vor, wenn man an einem sonntäglichen Gemeindefest mit Gemeinschaftsbüffet, wo lauter anständige Familien versammelt waren, über so etwas Verworfenes sprach.
»Ich rede natürlich nicht hier mit den Frauen«, versicherte Emmanuel. »Alles, was ich brauche, sind die Namen.«
»Nun ja …«
»Es waren vier«, meldete sich neben Tiny eine Frau mit engem Korsett. Sie war hellhäutig und hatte sich zwei Rouge-Kleckse auf die hohen Wangen gemalt. »Tottie und Davida, die für den alten Juden arbeiten, dann Delia, die Tochter des Pastors, und Antons kleine Schwester Mary.«
»Detective, das ist meine Frau Bettina.« Tiny hatte sich wieder im Griff. »Und das hier ist unsere Tochter Vera.«
Während Tiny und Theo sich noch bis in die Nacht mit den Huren vergnügt hatten, waren die Frauen der Familie brav im sicheren Heim geblieben und hatten sich mit dem heißen Kamm mühsam die Haare glattgezogen. Mutter und Tochter trugen beide ordentlich gestärkte Blusen, und ihr Haar fiel wie ein unbeweglicher Vorhang herab. An ihrem Haaransatz konnte man noch die schwachroten Verbrennungen entdecken, Verwundungen in der Schlacht gegen die Löckchen.
»Wohnen all diese Frauen noch in der Stadt?«, fragte Emmanuel.
»Tottie steht da unten an der Treppe.«
Emmanuel warf einen verstohlenen Blick hinüber und sah die Zuckerpuppe Tottie, umringt von einem Schwarm Verehrern. Sie trug ein tailliertes grünweißes Kleid, des sen Ausschnitt gerade tief genug war, um unchristliche Gedanken hervorzurufen. Das Mädchen war wie Eiscreme an einem heißen Tag.
»Delia steht da drüben neben ihrem Vater.« Vera, die Tochter der beiden, zeigte auf ein langes, hageres Mädchen mit so enormen Brüsten, dass selbst ein Riese Schwierigkeiten gehabt hätte, sie zu umfassen. Die Tochter des Predigers hatte zwar ein reizloses Gesicht, unter der Haube aber einen frisierten Motor.
»Davida wohnt normalerweise bei ihrer Oma Mariah, aber heute ist sie bei ihrer Mutter auf der King-Farm. Und Mary ist da drüben und hilft beim Essenausteilen.« Tinys Frau zeigte auf eine feenhafte Halbwüchsige, die zwischen zwei kräftig gebauten Matronen eingekeilt war. Sie stand noch auf der Schwelle vom Kindheits- zum Erwachsenenalter.
Im Geiste ließ Emmanuel die Frauen noch einmal Revue passieren. Alle unterschieden sich voneinander, doch jede stach auch
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