Ein schöner Ort zu sterben
Fingers, wo früher sein Ehering gesteckt hatte. Wenn er die Scheidung erwähnte, würde sie ihm das sicher verübeln und ihm die Tür zum Gästezimmer vor der Nase zuschlagen. Niemals hätte eine Mrs. Pretorius gebilligt, dass ein Außenseiter mit zweifelhafter Moral die Besitztümer ihres heiligen Ehemannes berührte.
»Ich habe meine Frau vor sieben Monaten verloren.« Er sagte soweit wie nur irgend möglich die Wahrheit und hoffte, dass sie sich den Rest denken würde.
»Die Wege des Herrn sind unerforschlich«, sprach sie.
Emmanuel fühlte, wie sie ihm eine Hand auf seine Schulter legte. Selbst wenn Mrs. Pretorius durch das finstere Tal der Trauer ging, musste sie immer noch diejenige sein, deren Licht in die Welt hinausstrahlte.
»Ich versuche, es zu verstehen«, sagte Emmanuel. Was er dabei im Sinn hatte, war der Captain und sein selbstgebauter Safe, den er so raffiniert versteckt hatte. Er fing gerade damit an, in die dunklen Ecken des Willem Pretorius hineinzuschauen, die seine Frau mit dem Licht ihrer Tugend nicht ausleuchten konnte.
»Sie dürfen den Raum betreten«, gewährte sie ihm nickend die Erlaubnis. Seine Verwirrung, in der sie einen inneren Kampf auszumachen glaubte, erwies ihn ihrer Hilfe als würdig. »Kommen Sie mit!«
Während Emmanuel Mrs. Pretorius durch den Garten folgte, fielen ihm die Abdrücke ihrer Stiefel in der frisch umgegrabenen Erde auf. Ein Arbeitsstiefel mit tiefen, geraden Rillen, beinahe identisch mit den Spuren, die sie am Tatort gefunden hatten. Ihm fiel wieder ein, was Shabalala erzählt hatte: dass die Pretorius-Männer und auch Mrs. Pretorius schon viele Preise beim Scheibenschießen gewonnen hatten.
»Wir brauchen Aggie, damit sie Ihnen aufschließt. Willem hat das Zimmer zum Arbeiten benutzt und immer verschlossen gehalten, wenn er nicht zu Hause war.«
Die Worte berührten etwas in ihr, und mit einem leisen Wimmern fing sie an zu weinen. Emmanuel blickte in ihr Gesicht und sah, dass es vor Kummer ganz verzerrt war. Falls diese zierliche blonde Frau ihren Mann umgebracht hatte, tat es ihr jetzt auf jeden Fall leid.
Mrs. Pretorius zog die Gartenhandschuhe aus und wischte sich die Tränen ab. »Warum nur irgendjemand Willem ein Leid zufügen wollte? Er war so ein guter Mann … so ein guter Mann.«
Emmanuel wartete, bis die Schluchzer abebbten.
»Ich werde herausfinden, wer Ihrem Mann das angetan hat. Und warum.«
»Gut.« Die Witwe seufzte einmal tief und hatte sich wieder im Griff. »Ich will, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Ich will, dass derjenige, der das getan hat, hängt.«
Der diamantharte Blick in ihren Augen war wieder da und bestätigte Emmanuel, dass Mrs. Pretorius jedes ihrer Worte ernst meinte. Sie wollte im Gefängnis dabei sein, wenn die Falltür aufging und der Mörder ins Jenseits fiel.
»Aggie …«, rief Mrs. Pretorius in das große Haus hinein. »Aggie, komm her!«
Sie warteten schweigend, bis eine greise Schwarze durch den Flur bis zur Haustür geschlurft kam. Nach lebenslanger Hausarbeit konnte die korpulente Alte nur noch gebückt gehen, und Emmanuel bezweifelte, dass sie jetzt noch viel Arbeit verrichtete. Vom jahrelangen Wäschewaschen und Bodenschrubben für die kapholländische Vorzeigefamilie waren ihre Hände ganz knotig.
»Aggie.« Mrs. Pretorius verringerte ihre Lautstärke kaum. Zu allem Überfluss war die alte Dienstmagd auch noch taub. »Du musst den Detective zum Gästezimmer begleiten, das der Captain immer benutzt hat. Mach es für ihn auf und schließ wieder ab, wenn er fertig ist.«
Das uralte Dienstmädchen nickte und winkte Emmanuel wortlos herein. Er folgte ihr in den Eingangsflur und fragte sich dabei, welche Stellung sie wohl in diesem Haushalt einnahm. Hansie hatte gesagt, dass die Frau zu nichts mehr taugte, der Captain sie aber nicht entlassen wollte. Die meisten Afrikaander und Engländer hatten so ein schwarzes Dienstmädchen, das beinahe zur Familie gehörte – beinahe.
»Danach müssen Sie noch Tee mit mir trinken, Detective Cooper«, sagte Mrs. Pretorius. »Aggie soll Sie dann zur hinteren Veranda bringen.«
»Danke sehr.«
Nach dem Tee mit Mrs. Pretorius würde er Erich aufsuchen, und nachdem er den explosiven dritten Sohn über den Brand und den Streit verhört hatte, den Erich mit seinem Vater über die Entschädigung ausgefochten hatte, würde ihm die Tür zum Haus der Familie Pretorius auf alle Zeiten vor der Nase zugeschlagen werden. Besser, er sammelte möglichst viele
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