Ein Schöner Ort Zum Sterben
Jahre alt gewesen ist, erinnerst du dich, Rita?« Das simple Wachrufen gemeinsamer Erinnerungen erschütterte Mrs. Wills’ sorgfältig bewahrte Fassung. Sie packte die Hand ihres Mannes fester.
»Ja!«, sagte sie und wandte den Kopf zur Seite, um aus dem Fenster zu sehen. Markby ging zu Helen Turner und sagte leise:
»Organisieren Sie einen Wagen, der die beiden nach Hause bringt, falls sie keine eigene Transportmöglichkeit haben. Sie scheinen im Augenblick nicht in der Verfassung zu sein, über irgendetwas zu reden.«
»Sie war übrigens vierzehn«, murmelte Turner. Ein Schulmädchen. Markbys Nichte Emma war zwölf und noch immer ein Kind, aber sie wurde sehr schnell erwachsen. Wie schnell? Wie würde sie mit vierzehn sein? Die Zeit verging so rasch. Für die beiden Wills hier war Lynne wohl noch immer ein kleines, stepptanzendes Wunderkind. Konnte Barney tatsächlich Recht gehabt haben mit seiner Vermutung, dass Lynne auf den Strich gegangen war?
»Versuchen Sie, diese Nikki zu finden. Jeder auf dem Revier kann Ihnen sagen, wo diese Mietshäuser stehen. Ich fahre nach Park House, um mit den Conways zu reden. Wir müssen sie unterrichten, was wir auf ihrem Grundstück tun, und dann ist da noch die Sache mit dem Schlüssel für … für diese Kapelle.« Er blickte zu den Wills, doch die beiden hörten nicht zu. Mrs. Wills mühte sich mit den Knöpfen ihres Mantels ab, während ihr Ehemann sie dabei beobachtete, als könne er nicht verstehen, was daran so schwierig war. Turner nickte erneut und stand auf, um das Paar nach draußen zu begleiten. In der Tür drehte sich Mrs. Wills noch einmal um und fixierte Markby mit einem Blick, der überraschend heftige Feindseligkeit ausdrückte.
»Sie werden ihn finden!«, befahl sie rau.
»Und zwar schnell. Denn wenn Sie ihn nicht finden, dann finde ich ihn, bei Gott! Und wenn ich mit ihm fertig bin, wird nicht mehr viel von ihm übrig sein!«
»Wir werden ihn finden, Mrs. Wills«, versicherte er ihr und hoffte, dass es der Wahrheit entsprechen würde. Unerwartet mischte sich Mr. Wills ein.
»Es ist gut, Rita!«, sagte er leise und legte seiner Frau den Arm um die Schultern.
Als Markby wieder die Treppe hinunterkam, stand Barney Crouch vor dem Eingang, als wüsste er nicht, was er als Nächstes tun sollte.
»Bringt Sie schon jemand nach Hause?«, fragte Markby.
»Man hat es mir freundlicherweise angeboten.« Crouch blickte ein wenig verlegen drein.
»Aber wo ich schon mal in Bamford bin, dachte ich, ich könnte gleich Doris Pride einen Besuch abstatten. Oh, keine Sorge!«, fügte er hastig hinzu.
»Mir ist durchaus bewusst, dass ich nicht über diese Angelegenheit sprechen darf. Andererseits, wenn ich sie heute besuche, erspare ich ihr vielleicht den Weg zu meinem Haus. Wissen Sie, das Dumme ist, dass sie immer unangekündigt hereinschneit. Ich werde einfach zu ihr gehen und sehen. Vielleicht ist sie ja auch unterwegs, man weiß nie«, schloss er optimistisch. Markby verabschiedete sich von ihm und fuhr zur nächstgelegenen Apotheke, wo er zwei Packungen Verdauungstabletten kaufte und sich anschließend, eine nach der anderen kauend, auf den Weg nach Park House machte.
Matthew Conway saß im bleichen Licht der Novembersonne an seinem Schreibtisch. Das Zimmer war warm, denn als er diesen Flügel des Hauses zu Büroräumen hatte umbauen lassen, war eine Zentralheizung gleich mit installiert worden. Sie war nicht auf den Rest des Hauses ausgeweitet worden, denn Adeline hatte sich rundweg geweigert, die Arbeiter hereinzulassen, sodass das Haus in den kältesten Monaten des Winters den Komfort einer mittelalterlichen Abtei bot. Häufig kam Katie, das arme Kind, abends zu ihm ins Büro, um ihre Hausarbeiten zu machen, weil sie sich in ihrem Zimmer trotz des elektrischen Heizöfchens die Finger steif fror.
Matthew rieb sich mit der Hand über die Augen. Er war müde, und er machte sich Sorgen. Vor ihm lag ein Stapel Briefe, ordentlich zusammengeheftet und mit Kommentaren versehen. Maria war eine äußerst effiziente Sekretärin, und sie würde sich in Kürze bei ihm melden und sich erkundigen, ob er bereits alles durchgesehen hatte. Manchmal glaubte er beinahe, dass sie zu perfekt war. Der ein oder andere Lapsus – natürlich nichts Schlimmes! – wäre ihm ganz gelegen gekommen. Nicht, dass sie in anderer Hinsicht nicht menschlich gewesen wäre und nie mit ihm über ihre Gefühle oder Pläne gesprochen hätte – doch auch diese Pläne waren Anlass zu Sorge, denn
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