Ein Schöner Ort Zum Sterben
Glücklicherweise bin ich doch noch hingegangen.«
»Er glaubt, Katie und ich hätten miteinander … Sie wissen schon, dass wir es getan hätten«, murmelte Josh.
»Sie denken es auch, genau wie Tante Celia. Aber das haben wir nicht!«
»Also gut, Josh, ich glaube dir. Ich verstehe, wie sehr dich ihr Tod schmerzt, und ich will den Schmerz nicht noch vergrößern. Aber ich muss Fragen stellen, wenn ich ihren Mörder finden soll. Hatte sie außer dir noch andere Freunde? Oder vielleicht, bevor ihr euch kennen gelernt habt?«
»Nein!«, rief Josh. Vehement fuhr er fort:
»Er benimmt sich gerade so, als hätte sie ihm etwas bedeutet! Aber sie war ihnen egal! Keiner von beiden hat sie geliebt!«
»Wer sind ›sie‹?«, fragte Markby.
»Ihre Eltern! Ihre Mutter benimmt sich wie eine Verrückte, aber ich glaube nicht, dass sie so verrückt ist, wie sie tut! Und ihr Vater macht mit einer anderen Frau herum! Sie haben Katie nur benutzt, um sich gegenseitig das Leben schwer zu machen! Sie war eine Waffe, mit der sie sich wehtun konnten! So etwas macht man nicht mit Menschen, die man angeblich liebt!«
»Wenn Menschen sehr unglücklich sind, dann denken sie oft nicht mehr logisch. Sie fügen denjenigen Schmerz zu, die sie lieben. Ich bin sicher, Mr. und Mrs. Conway liebten ihre Tochter über alles, auch wenn sie ihr sehr viel Kummer bereitet haben. Ich bin sicher, dass Katie ihre Eltern ebenfalls geliebt hat. Aber sie hat Mrs. Mitchell gebeichtet, dass sie eine Menge Dinge getan hat, die ihre Eltern schockiert hätten, wenn sie davon gewusst hätten. Weißt du, welche Dinge damit gemeint waren?«
»Nein …« Der Junge zögerte.
»Aber letztes Jahr …«
»Sprich weiter«, ermunterte Markby ihn.
»Ich kann Ihnen nichts Genaues sagen. Aber letztes Jahr hatte sie zu Hause eine schlimme Zeit. Sie bekam Depressionen und hat eine ganz eigenartige Phase durchgemacht. Sie ging allen aus dem Weg, selbst mir. Sie kam wochenlang nicht mehr in den Jugendclub. Ich dachte, sie hätte vielleicht andere Freunde gefunden. Doch dann, irgendwann, kam sie wieder, und wir waren wieder Freunde, und alles war wieder in Ordnung.«
»Du hast sie nicht gefragt, wo sie gesteckt hat? Mit wem sie sich in der Zwischenzeit getroffen hat?« Im gelben Schein einer Straßenlaterne schüttelte Josh den Kopf und seine Brillengläser glänzten.
»Ich habe nicht gefragt, weil ich Angst hatte, sie könnte wütend werden und wieder gehen. Sie war zurück, wir waren zusammen, und das war alles, was zählte. Es ist mir egal, ob Sie das verstehen können!«
»Oh, ich verstehe das, Josh«, sagte Markby. Markby verstand es tatsächlich nur zu gut. Was dieser Junge beschrieb, war der wahre Preis der Liebe.
»Ich glaube nicht, dass Mr. Conway dir noch einmal Schwierigkeiten machen wird«, sagte er laut.
»Aber falls doch, lass es mich augenblicklich wissen.« Er blickte dem jungen Sanderson hinterher, der über die abendlichen Bürgersteige dem freudlosen, lieblosen Haus seiner Tante entgegenging. Sie mochten Katies Mörder fangen, doch für Josh würde es keinen Unterschied machen. Es war, wie Markby Meredith gesagt hatte: Die Narben, die ein Mord hinterließ, heilten niemals ganz.
»Schlafen Sie, Adeline?« Prue Wilcox schlich auf Zehenspitzen zum Bett. Adeline Conway lag in voller Kleidung auf der Seite und ruhte mit dem Kopf auf einem Arm. Die achtlos abgestreiften Hausschuhe lagen neben dem Bett. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete regelmäßig. Die Sonne ging unter, und das Zimmer war nur spärlich beleuchtet. Prue seufzte erleichtert auf. Sie gestand es sich nur höchst ungern ein, und sie hätte niemals zu jemand anderem darüber gesprochen, doch die Führung des Conwayschen Haushalts und die Pflege Adelines überstiegen allmählich ihre Kräfte. Sie war nicht mehr die Jüngste. Doch jetzt, nach der schrecklichen Tragödie von Katies Tod, wie konnte sie da die Conways im Stich lassen, selbst wenn es nur für kurze Zeit war? Sie hatte so auf eine kleine Abwechslung gehofft, auf einen Urlaub. Ständig schrieb ihre Schwester in Cornwall und lud sie zu sich ein. Sie hatte eigentlich vorgehabt, mit Matthew zu reden, damit er für ein, zwei Wochen eine Pflegeschwester engagierte. Doch nicht jetzt. Jetzt war es völlig unmöglich. Prue schlich aus dem Zimmer, und da ihr Schützling tief und fest schlief, ging sie in ihre eigenen Räume, um sich hinzulegen. Stille senkte sich über Park House. In dem Zimmer, das Prue gerade verlassen hatte,
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