Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)
nirgendwo genügend Platz, und kalt ist es auch. Spürst es ja selbst.“
Erleichterung kam in mir auf. Ich hatte zwar nichts gesagt, aber der Gedanke, den ganzen Tag in dieser Kälte und in Gesellschaft dieser Spinnweben zu verbringen, hatte mir nicht gerade ein „I Feel Good“ auf die Lippen gezaubert.
„Wo ist Ryan eigentlich?“, fragte ich.
„Der ist oben und justiert mit Malcolm die Anlage. Jo, wir haben leider keine Vorlage für den Rundbogen. Denkst du, du schaffst das trotzdem?“
„Ich werde es versuchen. Soll ich auch eine Kiste mitnehmen, wenn ich hochgehe?“
Finn lachte auf, als hätte ich einen Scherz gemacht. „Nein, Jo! Die sind nicht aus Styropor. Geh ruhig! Du kannst sie oben entgegennehmen. Und viel Spaß beim Puzzeln!“
„Danke!“, sagte ich schulterzuckend und machte mich auf den Weg in die Haupthalle, wo Rupert gerade dabei war, alte Jutesäcke auf dem Boden zu verteilen.
Zwei abgebrochene Fingernägel und drei kleine Schrammen später saß ich noch immer umringt von Steinen auf dem Fußboden der Haupthalle und fragte mich, welcher Teufel mich geritten hatte, diese Aufgabe zu übernehmen.
Es war wahrhaftig ein Puzzle, und die hatte ich noch nie gemocht. „Blauer Himmel auf blauem Hintergrund“, murmelte ich, hielt einen der Steine in der Hand, drehte ihn nach allen Seiten und hatte keinen blassen Schimmer, an welche Stelle er gehörte.
Mittlerweile ging es auf Mittag zu, und ich konnte gerade mal einen halben Meter vom rechten Rand vorweisen, drei, nein vier Steine vom linken, gut die Hälfte des Spruches und meine Hautabschürfungen.
„Alles in Ordnung?“, fragte Lucas, der endlich die letzte Kiste neben mir abstellte und sich prustend aufrichtete.
„Nein.“ Ich hob die Arme und streckte mich. „Wie sieht es unten aus?“
„Wir sind fertig“, sagte er und betrachtete den Stein in meiner Hand. Dann nahm er ihn mir ab und plazierte ihn an der rechten Seite des Bogens. „Du hast noch nicht oft gepuzzelt, oder?“
„Nicht oft ist untertrieben“, antwortete ich und staunte. Der Stein passte genau.
„Ach, das wird schon.“ Lucas lächelte und hielt mir seine Hand hin. „Was ist? Kommst du mit zum Lunch?“
„Ja!“, sagte ich, froh über die Ausrede, für einen Moment desertieren zu können, und griff zu.
Als Ryan beim Essen erfuhr, dass ich im Puzzeln keine große Leuchte war, amüsierte er sich kurzzeitig auf meine Kosten und stellte mir dann Malcolm und Lucas für den Nachmittag zur Seite. Innerhalb von nur vier Stunden hatten wir den kompletten Rundbogen in all seiner Pracht auf den Jutesäcken ausgelegt, und ich saugte zufrieden an einer neuen Schramme.
„Keltischer Knoten oder auch der Faden des Lebens“, sagte Ryan. „Bei den alten Druiden bedeutete er die Verbindung zwischen Geburt, Tod und Wiedergeburt. Das Spiralmuster drückt die verschlungenen Pfade aus, die ein Mensch betritt, und dort, wo sich der Faden mit sich selbst kreuzt, findet der Mensch zu sich selbst.“
„Das ist ein Faden?“, fragte ich und betrachtete das Knotenornament. „Ein einzelner, meine ich?“
„Aye.“ Ryan nickte und zeigte auf den rechten unteren Stein. „Wenn du da anfängst und mit deinem Finger der Linie folgst, landest du irgendwann genau wieder dort an diesem Punkt.“
Finn hockte oberhalb des Bogens und fuhr mit seiner Hand nachdenklich über den Spruch. „Wenn, wie Jo sagte, Mutus permaneo eine Aussage ist, verstehe ich nicht ganz, warum er sie zusätzlich mit Schutzsymbolen überladen hat. Schau mal, Ryan! Hagalaz-Runen zu beiden Seiten, Triskill in den Ecken. Und der Spruch selbst ist auch noch flankiert von Pentagrammen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dieser Bogen fungiert als Wall. Als eine Art Schutzwall, um das, was sich dahinter verbirgt, dort für immer festzuhalten.“
„Ist das Pentagramm nicht das Zeichen für Satan – oder Satanismus?“, fragte ich.
„Nein, ganz und gar nicht“, erwiderte Finn. „Aber das denken viele. Das Pentagramm – der Drudenfuß – ist ein heidnisches Schutzsymbol. In der griechischen Antike war es das Zeichen für die Göttin Venus. Es war ein Symbol für die Templer, die Rosenkreuzer, die Freimaurer, die Kirche und so weiter. Ein Amerikaner namens Levey beziehungweise LaVey hat es vor etwa fünfzig Jahren erst zu einem Symbol Satans und seiner Church of Satan gemacht, und der hat es übernommen von einem Mann namens Éliphas Lévi, der einen Dämon namens Baphomet kreiert und mit dem
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