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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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unbeteiligten Lächeln Platz.
    „Ja?“, fragte er unschuldig.
    In diesem Moment ging die Tür auf, und Nelly steckte ihren Kopf herein. „Oh! Lord Marlin!“ Sie wurde rot bis über beide Ohren. „Seine Lordschaft, Ihr Bruder, schickt mich. Ich soll sagen, das Dinner wartet.“
    „Ja, wir kommen, Nelly“, sagte Marlin lächelnd und bot mir seinen Arm. „Verzeihst du mir also?“
    In diesem Moment wünschte ich mir sehnlichst, auch in Marlins Gesicht lesen zu können, doch dieser Wunsch blieb mir verwehrt. Seine Augen strahlten lediglich Freude und Erleichterung aus.
    „Verziehen!“, murmelte ich und reichte ihm meine Hand.
    Während des Abendessens linsten sämtliche Augen in regelmäßigen Abständen zu Ryan und Marlin hinüber, so als ob sie den Zünder zweier Zeitbomben verfolgen würden.
    Doch die Kontrahenten übten sich in Gelassenheit, dass es fast unheimlich war. Es ging sogar so weit, dass Ryan auf eine Frage von Marlin mit einer vernünftigen verbalen Antwort reagierte.
    Wenn ich es nicht besser wüsste und wenn die blau geschlagenen Gesichter nicht unwiderlegbare Beweise geliefert hätten, wäre ich geneigt gewesen zu sagen, dass alles in bester Ordnung war. Doch so revoltierte mein Magen derart, dass ich kaum einen Bissen hinunterbekam, und das war ein untrügliches Zeichen dafür, dass zumindest mein Bauch dem Frieden nicht traute.
    „Wann kommt ihr wieder zurück?“, fragte Severíne, und ich horchte auf.
    „Warum? Wollt ihr schon wieder weg?“, fragte ich.
    „Wir müssen“, sagte Ryan. „Morgen früh. Der neue Auftrag in Fort William ist verzwickter, als es den Anschein hatte, und wir haben dort noch ein bisschen was vorzubereiten. Dauert nicht lange. Morgen Abend sind wir wieder da.“
    „Was für ein Auftrag?“, fragte Marlin und kniff die Augen zusammen.
    „Nichts Weltbewegendes“, erklärte Finn. „Ein paar Türen, die sich ständig von alleine öffnen, Stühle, die sich einem in den Weg stellen, wenn man nicht aufpasst, und ein defekter Projektor.“
    „Heißt das, wir gehen von hier fort?“ Der Gedanke zerriss mir das Herz. Mir war zwar klar gewesen, dass wir nicht ewig hierbleiben konnten, aber die Tatsache, dass die Abreise in gewisser Hinsicht bereits geplant wurde, brachte sie in Reichweite, und die verbleibende Zeit kam mir vor wie eine Galgenfrist.
    Ryan warf mir einen Blick zu. „Wenn sich auch in den nächsten Tagen hier nichts tut, ja.“
    „Du hast aber noch immer keine Erklärung für die Dinge, die hier ablaufen“, wandte Marlin ein.
    „Welche Dinge meinst du? Bei allem Respekt, wir haben nur das Wort von zwei Bauarbeitern und von Malcolm und Jo. Nicht, dass ich den beiden nicht glauben würde, aber keines unserer Geräte zeigte auch nur den Hauch einer Unstimmigkeit.“
    „Ihr könnt ni-nicht g-gehen!“, rief Malcolm aus, und in seinem Gesicht zeigte sich so etwas wie Panik.
    „Tut mir leid, Malcolm“, sagte Ryan knapp. „Ich habe deinen Vater bereits informiert.“
    „Ja, aber Annie!“, rief ich.
    „Deine Annie war nur ein Dienstmädchen, Jo, das zu einer Art Verhütungsmethode für junge Mädchen und Tratschobjekt für alte Tanten wurde.“
    „Nein, das glaube ich nicht“, rebellierte ich. „Sie hat etwas zu bedeuten. Ich spüre es.“
    „Dein Gespür in allen Ehren, Jo. Aber glaubst du wirklich, dass der Geist von Annie Guthrie hier umherwandert?“
    „Nein, natürlich nicht. Aber …“ Ich blickte ihn an. „Haben deine plötzlichen Abreisepläne noch einen anderen Grund?“
    „Nein!“, erwiderte er, und ich wusste, dass er log.
    In diesem Moment krachte es laut, und alle drehten sich zu den Fenstern.
    „Seht euch das an“, sagte Finn. „Da zieht schon wieder was auf.“
    „Ja, das denke ich auch“, entgegnete ich und funkelte Ryan an.
    Innerhalb von zehn Minuten hatte sich draußen ein Sturm zusammengebraut, der seine ersten Ausläufer vorausschickte. Am Himmel zog eine graue Wolkenbank auf, und der Park von Caitlin Gardens verwandelte sich in ein aufgewühltes, dunkelgrünes Meer. Die großen Bäume und Büsche bewegten sich im Wind, als ob sie plötzlich zum Leben erwachten und wie eine Streitmacht auf die Burg loszumarschieren drohten. Marlin war sofort zurück ins Cottage gefahren, um es gegen das herannahende Unwetter zu sichern. Der Rest von uns machte sich rasch auf, alle Fenster und Türen in der Burg zu verriegeln und zu verrammeln.
    Ich hatte den Südflügel im Erdgeschoss übernommen und war gerade auf dem Weg zurück zu

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