Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
noch erwarten können, sind zwei Wäscheklammern für Ihre Nasen.“ Sie schüttelte sorgenvoll den Kopf. „Nicht dass eine Wäscheklammer viel helfen würde. Die Dämpfe aus dieser Flasche von McLeans werden Ihnen trotzdem die Tränen in die Augen treiben und sich durch die Wäscheklammer drängeln.“
„Der Geruch ist wirklich penetrant!“
Ihre haselnussbraunen Augen wirkten im Laternenlicht fast golden. „Es ist schon erstaunlich, dass in einer so kleinen, unscheinbaren Flasche so ein starkes und beißendes Mittel sein kann. Das zeigt wieder mal, dass es nicht auf das Gefäß ankommt, sondern auf das, was drin ist.“
„Das Gleiche gilt auch für Menschen.“
„Da haben Sie ganz recht.“ Hope wippte auf ihren Füßen vor und zurück und grinste ihn an. Der Saum ihres Kleides schwang mit der Bewegung mit und ließ das Stroh um sie herum auffliegen. „Die Fülle unseres allmächtigen Gottes erfüllt uns und fließt über. Das ist ein Segen. Aber mit dieser Flasche ist es etwas ganz anderes. Weil ich weiß, was da drin ist, bin ich froh, dass Sie auf Ihre Sachen so gut aufpassen und vielleicht sogar mehrmals nachschauen, ob der Deckel auch wirklich fest auf der Flasche sitzt.“
„Ich werde immer gut aufpassen.“ Ihr Vertrauen in ihn – obwohl es ja nur eine Kleinigkeit war – tat ihm gut.
Hope streichelte Hatties Schnauze. „Jo wird doch wohl nicht eifersüchtig sein, oder?“
„Eifersüchtig, warum?“
„Wegen Hatties Strohhut natürlich.“ Hope kraulte Hattie hinter ihren langen Ohren.
„Der Hut.“ Diese Frau wechselte das Thema genauso abrupt, wie sie von einer Arbeit zur nächsten hüpfte. Er konnte ihr gar nicht so schnell folgen. „Wie kommst du jetzt auf ihren Hut?“
„Wir haben doch gerade über Deckel geredet. Kappen, Hüte, Hauben –“
Nein, oh nein! Es war eine Sache, wenn eine Frau mit einem geschmückten Maulesel durch die Lande zog, aber ein Mann hatte seine Würde. „Deine Mauleselin wird den Hut nicht tragen, wenn sie bei mir auf dem Feld arbeitet.“
„Sie werden Ihren Hut doch auch aufhaben.“
Ungläubig starrte Jakob sie an. „Das ist doch was anderes.“
Hope nickte. „Natürlich.“
Er atmete erleichtert auf. Sie sah es also ein.
„Ihre Ohren schauen oben nicht raus.“
* * *
Etwas später saß Jakob wieder am Esstisch. Doch diesmal las er Annie und Hope aus der Bibel vor. Er klappte seine Bibel vorsichtig zu, damit das Foto nicht herausfiel. „Es ist schon spät.“
Als ob die Uhr seinen Worten mehr Gewicht verleihen wollte, schlug sie zehn Mal. Annie legte das kleine Hemdchen zur Seite, an dem sie gerade nähte.
„Danke, dass Sie uns vorgelesen haben.“ Hope wischte den Deckel eines Einmachglases ab. „Können Sie sich vorstellen, wie Bileam sich gefühlt hat, als sein Esel plötzlich mit ihm geredet hat? Wenn Gott irgendwann durch Hattie zu mir spricht, dann falle ich vor Angst sicher in Ohnmacht. Sie ist ja echt schlau, aber was sollte sie mir schon sagen?“
Wenn sie reden könnte, dann würde sie dir sicher sagen, dass sie den Hut nicht mehr tragen will. Jakobs Stuhl knarrte, als er aufstand. „Gott hatte einen guten Grund.“
„Bestimmt. Ich denke, Bileam war der Grund dafür, dass Gott schließlich seinen Esel zum Reden brachte. Er hat die arme Kreatur viel zu viel geschlagen. Als er aber dann selbst den Engel gesehen hat, da hat er den Esel verstanden. Wahrscheinlich ist es eine wichtige Geschichte. Sie steht ja auch in der Bibel, aber ich hab es trotzdem nie so ganz verstanden. Ich kann Gewalt einfach nicht ertragen – auch nicht in einer Geschichte.“
Jakob nickte. „Es ist ja auch schon lange her.“
Annie nahm sich eine Lampe vom Tisch und ging zur Tür. „Gehen wir, Hope?“
„Geh nur schon vor, Annie. Ich muss noch mal kurz an die frische Luft.“
„Fast jeden Abend gehst du nochmal nach draußen.“ Annie hörte sich beinahe schuldbewusst an.
„Mein Herz ist so voll von allem, was Mr Stauffer uns vorgelesen hat. Ich muss einfach nochmal raus, um darüber nachzudenken. Sonst liege ich nur wach im Bett und starre die Decke an. Es wird aber nicht lange dauern.“
„Mama war genauso.“ Annies Stimme wurde ganz weich bei der Erinnerung an ihre Mutter.
„Wenn Mama hier wäre, würde sie dich ins Bett scheuchen.“ Jakob nahm seiner Schwester die Lampe aus der Hand. Ihr Schatten an der Wand zeigte einen deutlich runden Bauch. „Du musst jetzt auch nicht mehr nach draußen.“
Annie wurde rot.
„Um Himmels
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