Ein Sehnen Im Herzen
Mylord, aber ich weiß, dass ich Sie zum ersten Mal hier sehe. Wenn Ihnen das Mädchen und ihr Wohl so sehr am Herzen liegen, wo waren Sie dann in den Monaten seit dem Tod ihres Ehemannes? Das würde ich gern wissen.«
James starrte den älteren Mann fassungslos an. »Also wirklich«, begann James und beugte sich vor. »Ich weiß nicht, was Sie damit andeuten wollen, aber lassen Sie sich gesagt sein, dass ich erst vor einer Woche vom Tod meines Cousins erfuhr. Ich kam so schnell es ging. Ich habe Mrs. Chesterton bereits ein ständiges Heim im Hause meiner Mutter angeboten, was sie, wie ich hinzufügen möchte, ablehnte...«
»Aber natürlich«, unterbrach ihn der Richter milde. »Sie wird die Kinder, die sie unterrichtet, nicht im Stich lassen. Es scheinen allerdings gewisse Zweifel zu bestehen, ob sie es wirklich tut oder nicht, das Unterrichten meine ich. Mir kommen die Kinder so unwissend wie eh und je vor, wenn auch weit mehr vertraut mit den Werken von Walter Scott. Aber es ist wohl nicht verwunderlich, dass Mrs. Chesterton so an ihnen hängt, wenn man bedenkt, dass sie und ihr Mann nicht mit eigenen Kindern gesegnet waren.«
James blickte abrupt auf, als er diese letzte Bemerkung hörte. Eigene Kinder! Seltsamerweise war ihm nie in den Sinn gekommen, sein Cousin und Emma könnten gewünscht oder auch nur versucht haben, Kinder in die Welt zu setzen.
Aber natürlich waren Kinder die natürliche Folge einer Ehe. Warum ihn dieser Gedanke so sehr verstörte, begriff er selbst nicht. Er hatte nur nie daran gedacht - dumm von ihm, das war ihm jetzt klar -, dass Stuart, der in seiner ganzen Art so vergeistigt wirkte, tatsächlich... Und noch dazu ausgerechnet mit Emma!
Lieber Gott! Die Vorstellung brachte ihn völlig aus der Fassung, und er spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Er wusste, dass es albern war. Schließlich waren die beiden Mann und Frau gewesen. Warum hätten sie wohl heiraten sollen, wenn nicht...
Er wollte nicht daran denken. Er wollte überhaupt nicht daran denken!
Der Richter, der James nicht aus den Augen ließ, schien seine gute Laune plötzlich wiedergefunden zu haben. Anscheinend amüsierte er sich über James' Unbehagen bei dem Gedanken an das Eheleben seines Cousins - was James' Abneigung gegen den Mann nur noch mehr verstärkte.
»Wer, sagten Sie noch gleich, dass Sie wären, Sir?«, erkundigte sich Reardon schmunzelnd. »Der Cousin ihres Ehemannes?«
»Ja«, antwortete James. »Es kam zwischen mir und Stuart zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit, müssen Sie wissen, kurz bevor er und Emma heirateten. Infolgedessen brach der Kontakt zwischen uns ab. Ich kam, sowie ich von seinem Tod erfuhr...«
»Um seiner Witwe Ihr Beileid auszusprechen?«, fragte Reardon beiläufig.
»Äh ... ja«, erwiderte James. Es bestand kein Grund, fand er, die wahre Ursache für seine Reise nach Faires preiszugeben. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass Richter Reardon viel von Familienmausoleen hielt. »Ja, gewiss. Und um sie einzuladen, bei mir zu leben. Bei meiner Mutter, meine ich.«
Reardon lächelte. Es war ein seltsames Lächeln und James wusste nicht, ob es ihm gefiel. »Ich verstehe«, sagte er jedoch nur. »Und sie lehnte die Einladung ab.«
»Ja.«
»Und Sie kehren aufs Festland zurück?« Er warf einen Blick auf die Uhr hinter der Theke. »Sie haben die einzige Fähre verpasst, die heute noch geht.«
»Nein, ich kehre nicht zurück. Ich dachte, ich ...«
Und auf einmal wusste James es. James, der eben noch völlig erschüttert und mitgenommen gewesen war und nicht die leiseste Ahnung gehabt hatte, wie er weiter vorgehen sollte, wusste genau, was er tun würde.
»Ich bleibe«, sagte er fest. »Ich bleibe und frage sie noch einmal, wenn sie ein bisschen Zeit hatte, um darüber nachzudenken.«
»Wie ritterlich von Ihnen«, bemerkte Reardon. »Und Sie wussten nichts von den zehntausend Pfund.«
»Nein, natürlich nicht.« James warf dem Richter einen scharfen Blick zu. »Ich habe keine Verwendung für zehntausend Pfund, die ursprünglich dem Mörder meines Cousins gehört haben.« Als ihm auffiel, dass der Oberrichter ein skeptisches Gesicht machte, fuhr James erbittert fort: »Ich hielt es für meine Pflicht zu kommen und Mrs. Chesterton meinen Schutz anzubieten!«
»Den sie ablehnte.«
James presste die Lippen zusammen. Er wünschte, Reardon würde darauf verzichten, ständig auf diesen Punkt hinzuweisen. »Äh... ja. Einstweilen.«
»Interessant.« Die Augen des
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