Ein Sehnen Im Herzen
hasste.
Nun, war es etwa Fionas Schuld, wenn sie wusste, was ihrem Rang gebührte, auch wenn es ihr Bruder vergessen zu haben schien? Claras Vater war schließlich im Handel.
Fiona war bereit, darauf zu wetten, dass Emma ganz genau wusste, was in jener Nacht, als Clara verschwand, passiert war. Vermutlich wusste Emma sogar, wohin sie verschwunden war. Und zehn zu eins hatte Emma die Schlampe sogar ermutigt, mit Stevens, Geoffreys Kammerdiener, durchzubrennen. Als hätte nicht Fiona selbst ein Auge auf ihn geworfen! Oh, er war ein Bürgerlicher, natürlich. Aber die funkelnden dunklen Augen, die er gehabt hatte! Fiona konnte es Clara nicht gänzlich verübeln, dass sie sich in ihn verliebt hatte, auch wenn ihr Verrat äußerst schmerzlich für Geoffrey war.
Nicht, dass Fiona je so dumm gewesen wäre, sich an einen bloßen Kammerdiener wegzuwerfen. Nein, sie bewahrte sich für einen Mann wie Lord Denham auf.
Aber jetzt war dank Emma ihre einzige Chance auf eine gute Partie zerstört... genauso wie Emma, indem sie Claras und nicht Fionas Freundin wurde, ihre einzige Chance auf eine echte Freundschaft zerstört hatte. Seit Emma nach Faires gekommen war, hatte sie nichts anderes getan, als Fiona das Leben noch mehr zu erschweren.
Sicher, ein paar alberne Frauen - Mrs. MacTavish zum Beispiel und sogar Mrs. Peck - versuchten, etwas Nettes über sie zu sagen, dass sie während der Typhusepidemie eine unermüdliche Hilfe gewesen wäre und selbst nach dem Tod ihres Ehemannes viele Menschen aufopfernd gepflegt hätte. Dass Mrs. Chesterton sehr lieb zu den Kindern wäre. Dass man sich immer darauf verlassen könnte, bei Mrs. Chesterton ein offenes Ohr zu finden. Und so weiter und so fort.
Nun, Fiona war jedenfalls nie in den Genuss von Mrs. Chestertons offenem Ohr gekommen. Nicht, dass es sie jemals danach verlangt hätte, aber man hätte doch erwarten können, dass Emma sich zumindest ein wenig hätte anstrengen können, um Fiona besser kennen zu lernen, die schließlich die einzige Adlige im Umkreis war. Clara hatte Fiona vorgeworfen, überheblich zu sein, aber Fiona wusste, dass das nicht stimmte. Sie war einfach von Natur aus zurückhaltend. Männer schätzten Zurückhaltung an einer Dame.
Und ihr jetzt Lord Denham vor der Nase wegzuschnappen, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Dieses Mal war Emma zu weit gegangen, und das würde Fiona ihr sagen. Natürlich gab es nichts, was sie wegen James Marbury unternehmen konnte. Was sie betraf, war er für immer verloren. Aber sie konnte Emma zumindest einen gehörigen Dämpfer versetzen. Und ob sie das konnte!
Der Umstand, dass es Abend geworden war, als sie sich auf den Weg zum Leuchtturm machte, berührte Fiona nicht sonderlich. Ihr Bruder würde eben mit dem Essen auf sie warten müssen, es sei denn, er zog es vor, allein zu speisen. Er würde deswegen natürlich wütend sein, aber wann war er seit Claras Verschwinden nicht wütend? Und außerdem war er ohnehin schon übelster Laune... warum sonst wäre Fiona aus dem Schloss ins Gasthaus geflohen, wenn nicht, um dem Zorn ihres Bruders darüber zu entkommen, genau das verloren zu haben, was ihm in den letzten Monaten alles bedeutet hatte... nämlich die zehntausend Pfund der Witwe Chesterton?
Fiona konnte es ihrem Bruder nicht verdenken, dass er in Rage war. Das Geld - und die Witwe Chesterton - standen ihm rechtmäßig zu. Genauso wie der gut aussehende und anziehende James Marbury ihr zustand.
Das wollte Fiona Emma mitteilen und zwar in aller Deutlichkeit.
Aber falls die Ehrenwerte Miss Bain, als sie schließlich die Schwelle von Emmas Schulhaus überschritt, gehofft hatte, die junge Braut wäre in Hochstimmung und daher als Zielscheibe für Gehässigkeiten umso verlockender, sah sie sich getäuscht. Emma saß neben dem üblichen Stapel Schiefertafeln und starrte durch die hohen Fenster, obwohl es nicht so schien, als sähe sie die rosigen Strahlen des Sonnenunterganges tatsächlich, die durch die Scheiben fielen. Auf ihrem hübschen Gesicht - das Fiona allerdings eher als spitz bezeichnete - lag ein Ausdruck tiefster Niedergeschlagenheit. Miss Bain spürte ein freudiges Entzücken in ihrer Brust.
»Hallo, Mrs. Chesterton«, sagte Fiona laut, während sie die Tür hinter sich ins Schloss krachen ließ. »Oder Lady Denham sollte ich wohl sagen. Sie sind wirklich das Stadtgespräch. Ich nehme an, es interessiert Sie nicht zu hören, was man über Sie sagt?«
Emma wandte den Kopf und sah das junge
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