Ein Sehnen Im Herzen
Mädchen an. Ihre blauen Augen, die sonst so heiter strahlten, wirkten wachsam.
»Nein«, sagte sie. »Aber ich habe das Gefühl, Sie werden es mir trotzdem sagen.«
Fiona lachte kurz auf. »Da haben Sie Recht. An Ihrer Stelle würde ich dieser kleinen Schule Lebewohl sagen. Ich glaube nicht, dass man Ihnen noch länger erlauben wird, hier zu unterrichten. Nicht nach dem Skandal, den Sie heute hervorgerufen haben.«
Zu Fionas Enttäuschung zuckte Emma nicht mit der Wimper. Sie sah sich nur um, betrachtete die Tafeln und Bänke und sagte fast ein wenig erstaunt: »Nein. Ich denke, Sie haben Recht.«
Fiona, die nie besonders viel für Emma übrig gehabt hatte - mit einer Frau, die freiwillig einen Mann heiratete, der an einem Ort wie Faires leben wollte und noch dazu Kaplan war, konnte irgendetwas nicht stimmen -, beschlieh das Gefühl, dass alles ganz falsch lief. Emma hätte triumphierend und überlegen sein sollen. Immerhin hatte sie gewonnen: Sie durfte diesen trostlosen Ort lange vor Fiona verlassen.
Und doch sah sie so... so klein aus. Klein und verängstigt.
Fiona, die befürchtete, dass sie Mitleid - Mitleid! - mit ihrer eingeschworenen Feindin bekommen könnte, wurde noch bissiger.
»Aber was ist denn los?«, fragte sie. »Erzählen Sie mir nicht, dass Ihnen tatsächlich etwas daran liegt, was Mrs. MacTavish und die anderen alten Schachteln in der Stadt reden.«
Emma ließ den Kopf hängen, bis sie mit so schwacher Stimme, dass die Ehrenwerte Miss Bain sie kaum hören konnte, sagte: »Was habe ich getan?«
Das war ausgesprochen unbefriedigend! Wie in aller Welt sollte Fiona Emma am Boden zerstören, wenn sie ohnehin schon Trübsal blies? Und weshalb war sie so niedergeschlagen? Sie hatte den attraktivsten - und noch dazu reichsten - Mann geheiratet, der Fiona je begegnet war!
Was Fiona nicht wusste - und was Emma ihr mit Sicherheit nicht verraten würde - war, dass Emma zwar einen außerordentlich attraktiven und sehr vermögenden Mann geheiratet hatte, es sich dabei aber um eine rein geschäftliche Abmachung handelte, damit sie endlich an die zehntausend Pfund herankam, die ihr zustanden, und James Marbury keine Gewissensbisse mehr wegen der Art und Weise haben musste, wie er seinen Cousin behandelt hatte.
Das konnte Emma unmöglich Fiona anvertrauen, die garantiert sofort zu Richter Reardon laufen und ihm von der geplanten Annullierung erzählen würde ... und das, dachte Enuna, würde dem Richter kein bisschen gefallen, und es würde ihn nur bewegen, ihr das Geld noch länger vorzuenthalten, wenn er dahinter kam.
Und Emma brauchte das Geld. Nun, da es in greifbare Nähe gerückt war, fielen ihr so viele Dinge ein, die sie damit machen konnte. John McAddams aufs College schicken. Für die Kinder von Faires eine richtige Schule bauen und einen richtigen Lehrer einstellen. Und dann war da noch Fergus, dessen Augen, soweit Emma wusste, noch nie von einem Facharzt untersucht worden waren. Vielleicht bestand sogar die Möglichkeit, sein Leiden zu kurieren?
Aber Emma war sich durchaus bewusst, dass sie das Stadtgespräch war - dass es zweifelhaft war, ob man ihr noch länger erlauben würde, die Kinder zu unterrichten. Und als wäre das nicht genug, musste sie noch mit der beschämenden Erinnerung an ihr Verhalten von heute Morgen leben, als Lord Denham sie geküsst hatte. Hatte je eine Frau schamloser auf einen Kuss reagiert? Vermutlich nicht. Sie hatte sich wie eine durch und durch verdorbene Person benommen, wie eine zweite Maria Magdalena. Was musste James von ihr denken? Dabei war sie erst seit sechs Monaten Witwe... die Witwe seines eigenen Cousins... und noch dazu eines Geistlichen!
Die Ehrenwerte Fiona Bain ahnte nichts von Emmas inneren Qualen. Fiona wusste nur, dass Emma Chestertons zehntausend Pfund nicht an ihren Bruder fielen, der ihr vielleicht einen kleinen Teil davon für ein, zwei neue Hüte vorgestreckt hätte, sondern an einen Mann, der das Geld gar nicht brauchte und der Emma zweifellos auf Jahre und Jahrzehnte hinaus mit neuen Hüten - von Fächern ganz zu schweigen - versorgen würde, während Fiona seit Jahren nicht einmal ein neues Haarband bekommen hatte.
Infolgedessen öffnete Fiona den Mund, um etwas besonders Hämisches über Emmas Schwermut zu sagen - »Sie hätten vielleicht warten sollen, bis Ihr Ehemann in seinem Grab erkaltet ist« oder etwas ähnlich Herzloses.
Sie wurde jedoch in ihrem Vorhaben aufgehalten, als hinter ihrem Rücken die Tür aufflog und einen
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