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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Beamte warf seinem Kollegen einen vielsagenden Blick zu und zog müde eine Augenbraue nach oben. Noch eine durchgedrehte Mutter.
    »Nein, ganz so war das nicht …«, setzte ich an, gab dann aber auf.
    »Wie hat sie ausgesehen, die Frau, die sie ›gefunden‹ hat?«
    Der Polizist zuckte mit den Schultern.
    »Eine junge Frau. Ich habe gesagt, Sie wollten sich vielleicht persönlich bei ihr bedanken, aber sie sagte, das wäre nicht der Rede wert.«
    Ich heuchelte überschwengliche Dankbarkeit und schaffte es, die Haustür zu schließen.
    »Elsie«, sagte ich, »wen hast du getroffen?«
    Sie schaute zu mir auf, den Mund orange vom Eis verschmiert.
    »Du hast gelogen«, sagte sie. »Sie ist doch wieder lebendig geworden. Ich hab’s doch gewußt.«

    39. KAPITEL
    Mein Ausflug ins Kino und alles andere wurden abgesagt.
    Wieder einmal waren Elsie und ich allein zu Hause, und sie bekam von mir alles, was sie wollte. Reispudding aus der Dose mit goldenem Sirup in Form eines Fohlens darauf.
    »Es ist ein Pferd«, behauptete ich. »Schau, da ist der Schwanz, und da sind die spitzen Ohren.«
    Es war eine ungeheure Anstrengung, aber ich schaffte es, beiläufig zu klingen.
    »Und wie geht es Finn?«
    »Gut«, sagte Elsie geistesabwesend, denn sie war damit beschäftigt, mit ihrem Löffel Spiralen in das goldene Sirupmuster auf dem Reispudding zu ziehen.
    »Das sieht aber schön aus, Elsie. Wirst du etwas davon essen?
    Gut. Was habt ihr gemacht, du und Finn?«
    »Wir haben Hühner gesehen.«
    Ich manövrierte Elsie ins Bad und blies mit Hilfe meiner Finger Seifenblasen.
    »Die ist aber toll, Mummy.«
    »Soll ich mal versuchen, eine noch größere zu fabrizieren?
    Wovon habt ihr geredet, du und Finn?«
    »Wir haben geredet und geredet und geredet.«
    »Da sind zwei kleine Baby-Seifenblasen. Und worüber habt ihr geredet?«
    »Über unser Haus.«
    »Das ist schön.«
    »Kann ich in deinem Bett schlafen, Mummy?«
    Ich trug sie zu meinem Bett und spürte dabei voller Dankbarkeit ihren warmen, feuchten Körper durch meine Bluse.
    Sie bat mich, mit ihr unter das Laken zu schlüpfen. Auf dem Nachttisch lag eine Bürste, und wir bürsteten uns gegenseitig die Haare. Wir sangen ein paar Lieder, und ich brachte ihr das Spiel von Stein, Schere und Papier bei. Ich mit meiner großen und sie mit ihrer kleinen Hand bildeten abwechselnd Stein, Schere oder Papier. Stein schleift Schere, Schere schneidet Papier, Papier wickelt Stein ein. Jedesmal, wenn wir es spielten, wartete sie ab, bis ich ihr zeigte, was ich darstellen würde; und dann traf sie ihre Entscheidung so, daß sie gewinnen mußte, und ich warf ihr vor, sie mogle, und wir lachten beide. Es war ein Augenblick intensiven Glücks, und ich mußte mich zusammenreißen, um nicht aus dem Zimmer zu laufen und zu heulen. Ich hätte es vielleicht getan, aber ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, Elsie auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen.
    »Wann können wir Finn wiedersehen?« fragte sie auf einmal.
    Mir fiel keine Antwort ein.
    »Es ist komisch, daß du über unser Haus gesprochen hast mit
    … mit Finn«, sagte ich. »Sicher deshalb, weil du da mit ihr so schöne Spiele gespielt hast.«
    »Nein«, sagte Elsie entschieden.
    Unwillkürlich mußte ich sie anlächeln.
    »Warum nicht?«
    » Das Haus war es nicht, Mummy.«
    »Was meinst du?«
    »Es war unser sicheres Haus.«
    »Wie schön, mein Liebling.« Ich drückte Elsie fest an mich.
    »Aua, du tust mir weh.«
    »Entschuldigung, Schatz. Und hat sie Sachen in das sichere Haus getan?«
    »Ja«, sagte Elsie, die anfing, meine Augenbraue zu untersuchen. »Da ist ein weißes Haar.«

    Mir war schwindlig und übel, als starrte ich in einen schwarzen Abgrund.
    »Ja, ich weiß. Ulkig, nicht?« Ohne Elsie zu stören, tastete ich hinter mir nach dem Stift und dem Notizblock, die neben dem Telefon auf dem Nachttisch lagen. »Sollen wir in das sichere Haus gehen?«
    »Welche Farbe hat dein Auge?«
    »Au!« Ich heulte auf, als sie neugierig den Finger in mein linkes Auge bohrte.
    »Entschuldigung, Mummy.«
    »Es ist blau.«
    »Und meins?«
    »Blau. Elsie, sollen wir in das sichere Haus gehen und uns mal umsehen? Elsie?«
    »Also guuut«, sagte sie wie ein aufsässiger Teenager.
    »In Ordnung, mein Schatz, mach die Augen auf. So ist es richtig. Jetzt gehen wir den Weg hinauf. Was ist an der Tür?«
    »Da sind runde Blätter.«
    »Runde Blätter? Das ist ja komisch. Komm, wir machen die Tür auf und schauen, was auf der Fußmatte

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